Miniera T.

Noch vor wenigen Jahrzehnten war Mitteleuropa voller aktiver Minen aus denen die unterschiedlichsten Bodenschätze gefördert wurden. Auch kleinere Vorkommen wurden damals noch ausgebeutet, mit der zunehmenden Globalisierung und sinkenden Weltmarktpreisen mussten viele dann allerdings schließen. Einige Stollen sind zu Museen geworden, andere zu Abenteuerspielplätzen. Doch irgendwo in einem kleinen Tal in Italien verfällt seit zwei Jahrzehnten eine alte Fluoridmine vor sich hin. Willkommen in der Miniera T…

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Achtung: Es handelt sich bei dieser Anlage um einen sehr gefährlichen und baufälligen Lost Place! Zu eurer eigenen Sicherheit sind die vermerkten Koordinaten absichtlich ungenau gewählt.

Geschichte

Wann genau der Bergbau in diesem kleinen Tal an der „Via di Ferro“, der „Eisenstraße“ in der italienischen Provinz Brescia, begann, ist nicht bekannt. Über Jahrhunderte war der Abbau von Eisenerz hier jedem ohne weitere Genehmigung erlaubt. Eine Unzahl von Stollen wurde in die Berge getrieben und wieder verschlossen, manche stürzten ein, andere wuchsen zu ganzen Bergwerken zusammen.

In den meisten der über 100 bekannten Minen in der Region wurde Eisen abgebaut. Nicht so in der Miniera T., wo man ab dem 15. Jahrhundert nach Silber grub. Alleine das macht diese Mine also schon besonders. Sehr ergiebig war die Silberader damals aber wohl nicht. In einem Dokument aus dem Jahr 1718 wird die Wiedereröffnung der Silbermine aufgrund des Fundes einer neuen Ader erwähnt, woraus sich schließen lässt, dass es vorher eine Zeit der Inaktivität gegeben haben musste.

Katastrophale Überschwemmungen führten dazu, dass 1752 nur noch 12 von den 108 Bergbaubetrieben in der Region aktiv waren. Ob die Miniera T. auch zu den betroffenen Betrieben gehörte, ist nicht bekannt. Allerdings scheint die Silberförderung igendwo um diesen Zeitpunkt endgültig eingestellt worden sein. Statt dessen wurden nun hauptsächlich Zink und Blei produziert, die aus in der Umgebung von Silberadern häufig verkommendem Sphalerit (Zinkblende) und Galenit (Bleiblende) gewonnen wurden.

Die wenigen verbliebenen Minen im Tal wurden im 19. Jahrhundert unter dem Dach der Società degli Alti Forni, Acciaierie e Fonderie di Terni konsolidiert. In den 1860er Jahren konnte diese allerdings technologisch nicht mehr mithalten und stellte den Betrieb ein. Die britische The Brescia Mining and Metallurgical Co.Lim. kaufte 1894 die vielversprechendsten Minen auf, darunter auch die Miniera T., und versuchte einen Neustart. Auch dieser Versuch scheiterte. Im Jahr 1904 gab es in der gesamten Gegend keine einzige aktive Mine mehr.

Neues Leben hauchte der Miniera T. schließlich die Förderung von Fluorit ein, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts zunehmend an Bedeutung in der Herstellung von Glas, Keramik und Stahl gewann. Nach der Wiedereröffnung durch das Unternehmen Martelli wechselte sie mehrfach durch Aufkäufe und Fusionen den Besitzer und überstand den zweiten Weltkrieg wohl recht unbeschadet. Die an einem Fluss außerhalb der Stollen aufgebaute Flotationsanlage zur Trennung der Mineralien erhielt um 1943 sogar einen modernen Drehofen.

Großaufträge und Kredite der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika trieben die Produktion in den 1950er Jahren auf den Höhepunkt. 1948 wurden zwischen 10 und 12 Tonnen Fluor in die USA exportiert, im Jahr 1952 waren es bereits 90 Tonnen. Die Flotationsanlage war zu dieser Zeit eine der größten in ganz Europa.

Die 1960er Jahre waren gezeichnet von einer nachlassenden Nachfrage, sinkenden Weltmarktpreisen und steigenden Produktionskosten. Innerhalb von nur wenigen Jahren wechselte der Besitzer mehrfach. kurzzeitig gehörte die Mine sogar zur Montecatini Edison S.p.A., einem der größten Chemie-Konglomerate Europas. Aber auch das konnte den schleichenden Zusammenbruch nicht mehr stoppen. 1979 befanden sich zum Beispiel 74 der 100 Beschäftigten in Kurzarbeit. 1995 hat der Betrieb noch etwa 30 Mitarbeiter, von denen etwa die Hälfte unter Tage arbeitete.

1999 stellte der Betreiber die Produktion endgültig ein. Seitdem verfallen die Anlagen, aber die Bilder zeigen deutlich, dass die Wartung schon lange vorher vernachlässigt wurde.

Die Flotationsanlage

Das unter Tage gewonnene Material wurde über mehrere Förderbänder an die Oberfläche transportiert und dort zunächst in einer Brecheranlage zerkleinert, gewaschen, gereinigt und nach Gewicht und Größe sortiert.

Förderband für den Transport von Material an die Oberfläche

Das alte Bergwerk ist zwar über Umwege zugänglich, darf aber auf keinen Fall auf eigene Faust begangen werden! Seit mehr als 20 Jahren wurden keine Sicherungsmaßnahmen mehr unternommen. Auf den wenigen verfügbaren Fotos und Videos aus der jüngeren Zeit sind große Löcher, viel Wasser und morsche Holzbalken zu sehen.

In einer Flotationsanlage werden Mineralien durch verschiedene Verfahren voneinander getrennt, während sie durch verschiedene Anlagen fließen. Dabei kommen beispielsweise Fliehkraftabscheider (umgangssprachlich „Zyklon“) oder chemische Prozesse wie die Abscheidung von Elementen über Reaktionsschäume zum Einsatz.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden solche Anlagen meist in mehrstöckicken, „stufenförmigen“ Gebäuden an einem Hang errichtet. Wir beginnen im Maschinensaal im zweiten Stockwerk.

Das gesamte Gebäude ist mit einem unüberschaubaren Gewirr von Maschinen, Pumpen und Rohren gefüllt. Die verschiedenen Rohstoffe wie Blei, Zinn, Silber, Fluor und Schwefel wurden auf ihrem Weg durch die verschiedenen Kaskaden immer weiter voneinander getrennt, angereichert und aufbereitet. Ein Labor überwachte die korrekte Zusammensetzung der Zwischen- und Endprodukte.

Bei diesen seltsamen Maschinen hier handelte es sich wahrscheinlich um die Anlagen für die Abscheidung mittels Schaumextraktion. Bei diesem Verfahren macht man sich die unterschiedliche Löslichkeit von chemischen Verbindungen in Flüssigkeiten zu Nutze. Die Mineralien werden in Wasser gelöst und dann mit einer Chemikalie gemischt, die sich an die gewünschte Verbindung (z.B. Silber oder Blei) bindet. Die resultierende Verbindung ist wasserabweisend und steigt an die Oberfläche des Beckens, wo sie abgeschöpft werden kann. Damit lassen sich auch kleinste Reste verwerten. Ein ähnliches Verfahren kommt übrigens auch bei der Abwasserbehandlung zum Einsatz.

Um den Prozess zu beschleunigen und die Effizienz zu erhöhen, erzeugt ein Mischwerk (angetrieben über die Riemenscheibe ganz oben) Luftblasen in der Flüssigkeit. Die wasserabweisenden Partikel heften sich daran und bilden an der Oberfläche einen Schaum, der in die Sammelrinne an der Vorderseite abgeschöpft wird. Von dort geht es weiter zum nächsten Verarbeitungsschritt.

Die Flotationsanlage erstreckt sich bis auf die andere Seite des Flusses. Zwei überdachte Brücken verbinden das Nebengebäude mit dem 1. und 2. Stock das Hauptgebäudes. Zusammen mit einem kleinen Hängekran bilden sie ein charakteristisches, schon von weitem sichtbares „Z“.

Warum genau die Tunnel so aufwändig überdacht wurden, ist nicht offensichtlich. Die wenigen hier verlaufenden Rohre hätten auch ohne Dach verlegt werden können. Tätsächlich gibt es eine ganze Reihe von Leitungen, die an einem Stahlseil frei hängend über den Fluss verlaufen.

Auch die Idee, dass möglicherweise größere Mengen von Material von Hand zwischen den Gebäuden hin und her getragen werden mussten, scheint nicht sehr sinnvoll. Das geht maximal über eine der Brücken, die andere ist nur über eine dünne Leiter erreichbar…

Auch von einer Begehung der sichtbar stark verfallenen Brücken muss ganz klar abgeraten werden. Das einzige, was zwischen der eigenen Gesundheit und einem Sturz ins Bachbett einige Meter weiter unten liegt, sind alte Holzbohlen und ein paar verrostete Metallträger!

Eine Bandfilterpresse des Herstellers SernaGiotto

Hier steht auch die einzige einigermaßen moderne Maschine auf dem ganzen Gelände, eine Bandfilterpresse des italienischen Herstellers SernaGiotto. Wahrscheinlich wurde damit einer der Rohstoffe getrocknet. Warum die wohl nicht mehr abgebaut wurde, sie muss ja noch einen Wert gehabt haben?

Ein Zeitschriftenbericht von 1995 über den auch heute noch aktiven italienischen Musiker Franco Simone

Weiter geht es im ersten Stockwerk des Hauptgebäudes. Wer genau hinschaut, kann die vielen großen und kleinen Löcher im Boden sehen. Dieser besteht aus sehr dünnen Stahlplatten, die wahrscheinlich schon vor der Schließung nicht mehr ganz einwandfrei waren…

Die eine Hälfte des Geschosses ist fast leer, die andere vollgepackt mit Anlagen verschiedenster Art. Deren ehemalige Funktion und das Gewirr aus Leitungen zu entziffern ist fast unmöglich.

In manche Maschinen laufen drei oder vier Rohre aus verschiedenen anderen Stockwerken. Aber was floss hier in welche Richtung?

Okay, warum nicht einfach *noch* mehr Rohre? Vielleicht auch noch welche ins Nebengebäude?

Ich gebe auf… 😉

Die uralten Glasscheiben ergeben zusammen mit den grünen und blauen Lacken der Maschinen und dem Rost eine sehr gespenstische Szenerie.

Vermutlich sah das alles ganz anders aus, als die Anlage noch in Betrieb war. Wahrscheinlich gab es künstliche Beleuchtung, saubere Maschinen, weiße Wände und alles blitzte und blankte. Hoffe ich jedenfalls…

Schön anzusehen auch die Elektroverkabelung – beziehungsweise das, was davon noch übrig ist. So schön verrostete Oberflächen sieht man wirklich selten!

Nach einem Blick in eines der größeren Tri-Float-Becken geht es in das Erdgeschoss.

Naturgemäß ist das der älteste Teil und hier sieht es auch am schlimmsten aus. Das Gemäuer ist sicher nicht erst in den letzten 20 Jahren so gealtert…

Hier befinden sich auch einige der Silos, aus denen die Rohstoffe dann auf LKWs verladen wurden. In einigen befindet sich noch Material, also bloß nicht darunter stellen, immer schön daneben!

Fazit: Ein riesiger, nicht ungefährlicher Lost Place mit vielen außergewöhnlichen Motiven. Die acht Stunden Zeit die ich mir genommen habe waren auf keinen Fall ausreichend.

Dieser Artikel wurde von Simon für One Man, One Map geschrieben. Das Original befindet sich hier. Alle Rechte vorbehalten.

Ein Kommentar

  1. Hallo,

    möchte nur mal ein Lob aussprechen.

    Schön gestaltete Seite, spannende lost places, sehr gute Fotos, detailreiche und informative Begleittexte !
    Was mich besonders freut: Die Texte sind gut geschrieben und fehlerfrei. Wo es heutzutage mancher Redakteur nicht mehr schafft, eine fehlerlose Schlagzeile zu produzieren.

    Kurz gesagt, ich bin begeistert und freue mich auf alles, was da noch kommt…

    Grüße aus den bayerischen Alpen
    Ludger Ahlers

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