Das Werk Vermac

Die beiden Weltkriege waren zweifellos die schwersten jemals auf dem europäischen Festland ausgetragenen Konflikte. Allerdings hatten sich die Königreiche und Großmächte Europas schon im Vorfeld des Ersten Weltkrieges immer wieder gegenseitig bekriegt. Ein Relikt aus dieser Zeit ist das Werk Vermac nahe der Küstenstadt Kotor in Montenegro.

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Achtung: Es handelt sich hierbei um einen Lost Place. Um das Gebäude für zukünftige Urban Explorer zu bewahren, die Nachbarn nicht zu stören und Polizeieinsätze zu vermeiden sind die vermerkten Koordinaten absichtlich ungenau gewählt.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sah sich Österreich-Ungarn gleich an mehreren Fronten bedroht. Im Norden hatten der Deutsche Krieg (1866) und der Deutsch-Französische Krieg (1870/1871) ein geeintes Deutsches Reich hervorgebracht. Venetien im Westen hatte man nach dem Prager Frieden (1866) erst an die Franzosen und dann an die Italienischen Unabhängigkeitskämpfer verloren. An der Südgrenze des Reiches sorgten die Auflösungserscheinungen des Osmanischen Reiches für weitere Probleme. Die Fürstentümer Serbien und Montenegro hatten 1876 und 1878 ihre Unabhängigkeiterrungen, und den Montenegrinern fehlte noch das letzte Puzzlestück ihres Nationalstaats: Die österreichisch-ungarische Hafenstadt Cattaro (heute Kotor).

Allerdings war Cattaro damals der Hauptstützpunkt der österreichisch-ungarischen Kriegsflotte. Die Monarchie dachte gar nicht daran, die Stadt freiwillig abzugeben. Die auf österreich-ungarischem Territorium lebenden Montenegriner versuchten es daher mit 1869 mit einer Rebellion. Diese wurde zwar von der Monarchie erfolgreich niedergeschlagen, aber weitere Angriffe waren zu erwarten.

Die Reichsbefestigungskommission der Doppelmonarchie entschied sich daher für eine deutliche Ausweitung der Befestigungen in der Bucht von Cattaro. Der Vermac-Bergrücken westlich der Stadt erwies sich als strategisch sehr gut gelegen. Von einer im Wald versteckten, in den Boden versenkten Stellung auf 475 Höhenmetern konnte man mit großen Artilleriegeschützen den Krstac-Bergsattel in Richtung Montenegro sperren, feindliche Artilleriestellungen in einem weiten Umkreis bekämpfen und gleichzeitig die auf der anderen Seite des Bergrückens liegende Župa-Ebene sowie die Adria vollständig abdecken.

1887 wurde das „provisorische Werk Vermac“, 1894 bis 1897 das heute noch existierende Werk Vermac (montenegrinisch Tvrđava Vrmac) errichtet. Es ähnelt sehr den Werken der „Periode Vogl“ in Südtirol. Nach seiner Fertigstellung galt Vermac für längere Zeit als das modernste Werk in der gesamten Region. Es ersetzte die als veraltet geltenden Werke Trinita und Kavac und beherrschte zusammen mit dem Werk Gorazda und der Batterie Skaljari die gesamte Bucht.

Allerdings waren aufgrund des schnellen technischen Fortschritts bereits zehn Jahre später umfangreiche Anpassungen nötig. Vermac verfügte zu Beginn über vier Kasematten mit je einem 10-Zentimeter-Geschütz von Škoda, acht 15-Zentimeter-Mörser vom Typ M80/85, vier Feldgeschütze auf dem Dach und insgesamt zwölf Gewehrlafetten. Die Montenegrinische Armee verfügte aber schon ab 1905 über leichte und mittlere gezogene Geschütze, gegen die Vermac nicht ausreichend geschützt war.

Man baute die Anlage daher von 1906 bis 1907 in ein schwer befestigtes, reines Fernkampfwerk um. Die Decke wurde durch eine eineinhalb Meter dicke, zusätzliche Betonschicht verstärkt und die vier Feldgeschütze auf dem Dach entfernt.

Es ist heute nur schwer vorstellbar, aber trotz dieser Erweiterungen war das Werk fast sofort wieder technisch veraltet. Ganz Europa rüstete auf, die Industrie übertraf sich jedes Jahr mit neuen Entwicklungen. Mobile Artilleriegeschütze verfügten 1910 bereits über deutlich größere Kaliber als die Befestigungsanlage selbst. Die Entwicklung von Flugzeugen mit Bombenabwurfschächten würde nur noch eine Frage der Zeit sein. Ein neues, moderneres Werk am Hohen Vermac nahe des Gipfels Sveti Ilija war bereits geplant, wurde aber nie gebaut.

Während des Ersten Weltkrieges geriet Vermac unter montenegrinischen Artilleriebeschuss und wurde schwer beschädigt. Österreich-Ungarn setzte es nach der Besatzung Montenegros ab 1916 wieder in Stand. Danach nutzten erst die Armeen des Königreichs Jugoslawien, dann Italiens und schließlich der Sozialistischen Republik Jugoslawiens das Werk.

Die Kasematten

Die Kasemattgeschütze befanden sich in einem vor feindlichem Beschuss geschützten Bunkergewölbe. Das Geschützrohr ragte nur durch ein kleines Loch nach draußen, die ganze Installation konnte um dieses Loch herum nach rechts oder links gedreht oder auch nach oben und unten geneigt werden.

Die im Werk Vermac realisierte Variante mit einer zusätzlichen Stahlpanzerung hinter einer dicken Betonmauer wurde auch Jahrzehnte später noch benutzt, beispielsweise bei der Ligne Maginot, dem Alpenwall oder der Stalin-Linie.

Die von Škoda gelieferten 10-Zentimeter-Geschütze entsprachen bei der Lieferung im Jahr 1897 dem damaligen Stand der Technik. Genauere Details zu den Kanonen konnte ich leider nicht finden, aber auf jeden Fall schienen sie bei der Erweiterung des Werkes in den Jahren 1906 und 1907 tatsächlich bereits völlig veraltet gewesen zu sein. Škoda arbeitete zu diesem Zeitpunkt an einem 30,5-Zentimeter-Mörser, und 1908 würde das österreichische Schlachtschiff SMS Radetzky mit vier 30,5-Zentimeter-Kanonen und acht 24-Zentimeter-Kanonen vom Stapel laufen.

Die Mörserstellungen

Neben den vier Geschützstellungen gab es auch acht Mörstellungen (Škoda M80/85) im Kaliber 15 Zentimeter. Die Mörser hatten eine Reichweite von 3 bis 4 Kilometern und deckten damit Cattaro, die Flanken des Vermac-Gebirgszugs rund um das Werk selbst, Teile der Župa-Ebene sowie Teile des Gebirges in Richtung des Krstac-Bergsattels ab.

Die M80/M85-Mörser waren eigentlich für den Feldeinsatz auf Rädern vorgesehen. Für den Einbau in Befestigungsanlagen mussten erst neue Panzerkuppeln entwickelt werden, die Gesamtkombination bezeichnete man dann als „Mörser-Panzerlafette“. Die schweren Kuppeln konnten nur mittels einer Kurbel, eines Zahnkranzes und eines kleinen Getriebes gedreht werden.

Neben den Mörserkuppeln gab es auch Kuppeln mit Gewehrlafetten zur Verteidigung im Nahbereich.

Schusstafel mit Richtungs- und Distanzangaben

Die Munitionsversorgung erfolgte mittels zweier Aufzüge. Zusätzlich gab es einen Geschützaufzugshaken für den Fall, dass ein ein ganzes Geschütz ein- bzw ausgebaut werden musste.

Die Baracken

Die volle Kriegsbesatzung bestand aus fünf Offizieren und 177 Soldaten. Obwohl die Wohnräume über das Erdgeschoss und den ersten Stock verteilt waren, und Vermac nun wahrlich kein kleines Werk ist, dürfte es hier im Gefechtsfall sehr eng und laut zugegangen sein. Immerhin standen die großen Geschütze meist mehr oder weniger direkt nebenan.

So richtig schlimm dürfte es aber in den „Badezimmern“ gewesen sein… Wände und Fußböden aus blankem Stein, nur zugige Holzverschläge vor den Fenstern (Glas hätte bei einem Angriff die eigenen Soldaten verletzt). Vermutlich knisterte in der Ecke immerhin ein kleines Feuer, während man sich mit seinen Mitsoldaten auf der Steinlatrine unterhielt. Schrecklich!

Fazit: Das Werk Vermac ist sicher eine der am besten erhaltenen österreichisch-ungarischen Befestigungsanlagen. Die letzten 120 Jahre scheinen an der Bausubstanz fast spurlos vorbei gegangen zu sein. Es kann gut als Zwischenstopp bei einer Wanderung von Kotor auf den Gipfel des Sveti Ilja besichtigt werden. Mehr Lost Places gibt es in der entsprechenden Kategorie 🙂

Dieser Artikel wurde von Simon für One Man, One Map geschrieben. Das Original befindet sich hier. Alle Rechte vorbehalten.

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