Correaigua, der „Wasserlauf“ von Manresa

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Im August feiert fast jede größere Stadt in Katalonien eine „Festa Major“, ein „Großes Volksfest“. Bei diesen Festen geht es ziemlich verrückt zu. Ganze Innenstädte werden unter Wasser gesetzt, Feuerteufel tanzen durch die Straßen, man huldigt den Wildschweinen mit einem besonderen Tanz und riesige Pappmachéfiguren veranstalten einen Umzug. Bei einem Abstecher nach Manresa unweit von Barcelona sind wir beim Correaigua, dem „Wasserlauf“, ganz schön nass geworden… 😉

Die Geschichte der Correaiguas ist eng mit den Correfocs, den traditionellen katalanischen „Feuerläufen“, verbunden. Bei einem Correfoc ziehen als Teufel verkleidete Gruppen nachts durch die Straßen und brennen dabei Unmengen an Feuerwerk ab. In dem kleinen Ort L’Arboç wird dafür sogar jedes Jahr der zentrale Dorfplatz in eine „Hölle“ umgestaltet.

In den 1980er Jahren kamen als Gegenstück die Correaiguas dazu. In Manresa soll die Tradition auf den ersten Correfoc im Jahr 1982 zurückgehen, als die Teilnehmer in den Straßen die Hitze des Feuerwerks nicht mehr ausgehalten und die Zuschauer auf den Balkonen darum gebeten haben sollen, Wasser herunterzuschütten. Pyrotechnik und Wasser vertragen sich natürlich nicht, aber die generelle Idee eines „Wasserlaufs“ blieb hängen. Immerhin ist es in Katalonien im August auch ohne Feuerwerk sehr heiß – eine ordentliche Abkühlung kann jeder gebrauchen!

In den mehr als 35 Jahren seit seiner Erfindung hat sich der Correaigua von Manresa zu einem ausgefeilten Spektakel entwickelt. Feuerwehr und Stadtwerke sorgen mit großen Tankfahrzeugen für ausreichend Wasser um jeden Teilnehmer gründlich einzunässen. Die Route durch die Stadt hat sich über die Jahre kaum verändert, die verschiedenen Stationen auf dem Weg ändern sich aber ständig. Mit Farb- und Duftstoffen versetztes Wasser schießt aus Rohren und Düsen, Becken mit Schlamm werden aufgebaut und säckeweise Mehl und Konfetti bereit gelegt.

Wer in die Nähe eines Correaiguas kommt, sollte auf jeden Fall keine teuren Klamotten und auch sonst nichts Wertvolles mit sich tragen 😉

Der Correaigua de Manresa 2019 fand am Samstag, den 24. August statt. Ein seltsamer Mann in einer Art „Traubenkostüm“ (?) gab das Startzeichen. Die Route führte von der Plaça Europa über den Carrer del Carme und den Carrer Pedregar zur Plaça Pedregar, von dort über den Carrer Sant Miquel zur Plaça Major und wieder zurück zur Plaça Europa. Auf der folgenden Karte ist die Route eingezeichnet:

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Laut Plan hätte der Correaigua um 16:00 Uhr beginnen sollen, tatsächlich wurde es dann aber eher 16:30 Uhr. Das ganze Spektakel dauerte etwas über eine Stunde. Am Tag des Correaigua sind die betroffenen Straßen in der Innenstadt dauerhaft gesperrt. In Manresa macht das nichts, da viele sowieso zur Fußgängerzone gehören. In anderen Dörfern Kataloniens kann es in der Woche der Fest Major allerdings zu einem größeren Verkehrschaos kommen.

Plaça d’Europa

Die Plaça d’Europa ist einer der größeren Plätze in der Altstadt von Manresa. Nach dem Startschuss ging es sofort zur Sache. Von allen Seiten griffen Feuerwehrleute und andere Freiwillige die Menge mit Wasser und Schaum an.

Binnen kürzester Zeit stand der Platz unter Wasser und die Teilnehmer waren klatschnass. Bei 33 Grad im Schatten konnte man das allerdings sehr leicht verschmerzen… 😉

Plaça del Carme

Angeführt von einer Musikkapelle setzte sich die Menge in Bewegung zur nächsten Station. Auf der großen Plaça d’Europa konnte man ja noch versuchen, dem Wasser irgendwie aus dem Weg gehen, aber in den engen Gassen war das nicht mehr möglich. Hier mussten alle durch – komme, was da wolle.

Die verschiedenen Farbstoffe im Wasser waren natürlich ein schönes Detail für uns Fotografen. In Kombination mit kurzen Verschlusszeiten ergaben sich die spektakulären Bilder ganz von alleine. Ich musste nur noch „draufhalten“ wie bei einer Sportveranstaltung 😉

Natürlich sind die Farbstoffe im Wasser abwasch- und auswaschbar. Man würde ja sonst nicht nur die Kleidung von knapp 2.000 Menschen ruinieren, sondern auch die Innenstadt selbst nie wieder sauber bekommen. Vor Ort sah es auf den ersten Blick allerdings schon ziemlich erschreckend aus.

Carrer del Pedregar

Bei der nächsten Station prasselte so viel grün gefärbtes Wasser auf die Teilnehmer herab, dass sich die Straße in einen Bach verwandelte. Eine recht perfide Geschichte, denn auf den von Haus aus schon sehr rutschigen Pflastersteinen kam die Menge gleichzeitig auch nur noch sehr langsam voran. Die geübteren Teilnehmer hatten immerhin Schutzbrillen dabei. Der Rest war den Wassermassen von allen Seiten schutzlos ausgesetzt.

Plaça del Pedregar

Die pinke Suppe an der Plaça del Pedregar roch nicht nur nach Kaugummi, der Farbstoff war auch der mit Abstand hartnäckigste und am besten sichtbare von allen. Wände, Straße, Menschen – ein pinker Albtraum wie aus einer Fernsehwerbung für ein Barbie-Puppenhaus.

An dieser Ecke sind sicher einige der schönsten Bilder entstanden. Dafür habe ich aber auch mit einem Volltreffer aus dem Wasserschlauch auf meine Hose und eine der Kameras bezahlt!

Plaça Major

Ihr denkt jetzt vielleicht: „Spinnen die? Warum würde ein normaler Mensch denn jemals an so einer Sauerei teilnehmen?“ Tja, dann habe ich schlechte Nachrichten – die Sauerei ging erst so richtig los 🙂

Auf dem großen Hauptplatz des Ortes, der Plaça Major, waren mehrere mit Schlamm gefüllte Becken aufgebaut. Gleichzeitig wurde natürlich auch wieder von allen Seiten mit Wasser gespritzt, gerne auf Kommando der fiesen Mitglieder des Organisationskommittees…

Man musste nicht unbedingt in die Becken springen. Man hätte ja auch darum herumgehen können. Aber die Leute hatten schon alles andere über sich ergehen lassen, und dann kam vermutlich auch der Ehrgeiz ins Spiel. Uns Fotografen hat es natürlich gefreut… 😉

„Der Schlamm ist noch nicht schlimm genug“, müssen sich die Organisatoren eines Tages gedacht haben. „Das geht bestimmt noch besser“.

Gesagt, getan. Man nehme zwei Gerüste, Wasserdüsen, vier willige Helfer und bewerfe das Publikum mit Mehl aus großen Säcken. Das Resultat war genau so klebrig und eklig wie man es sich eben vorstellt… 😯

Schlamm und Mehl sind natürlich ein guter Anfang, aber in Manresa legt man offensichtlich Wert auf eine ordentliche Sauerei. Niemand auf der Straße soll sauber oder gar trocken bleiben. Um ganz sicher zu gehen, kippte man deswegen vorsichtshalber noch ein paar Tonnen Konfetti über die ganze Sache.

Und wie sieht der Fotograf selbst nach dieser Veranstaltung aus? Eigentlich noch ganz akzeptabel 🙂 Ich war zwar an der Plaça del Pedregar voll getroffen worden, konnte mich und meine Kameras aber sonst weitestgehend außerhalb der Reichweite der Typen mit den Wasserrohren halten. Glücklicherweise ließ sich die Farbe wirklich leicht abwaschen und hinterließ auch keine Rückstände auf der Hose oder dem T-Shirt.

Fazit: Wir hatten wirklich großen Spaß in Manresa 🙂 Volksfeste in die eigene Urlaubsplanung einzubauen ist eben immer eine gute Idee. Wer es etwas ruhiger angehen will, kann sich beispielsweise von meinen Artikel zur Parade der 1000 Samurai in Nikkō in Japan, dem Maskenfest von Andong in Südkorea oder der Warsteiner Montgolfiade in Deutschland inspirieren lassen. Allen anderen kann ich die Nacht des Museums im Minsker Kriegsmuseum, die Yokogawa Zombie Night und das Kagurazaka Bakeneko Festival in Japan sowie das Korjuschka-Fischfestival in Sankt Petersburg als Lektüre empfehlen 😉

Dieser Artikel wurde von Simon für One Man, One Map geschrieben. Das Original befindet sich hier. Alle Rechte vorbehalten.

Ein Kommentar

  1. Hallo Simon, super interessanter Beitrag! Da war ja wirklich kein entrinnen möglich.
    Liebe Grüße aus halbmeil
    Sieglinde und Sigi 🙋

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