Die verlassene sowjetische Fabrik

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Wir waren mit unserem Mietwagen auf dem Weg zum gigantischen Atombunker in der Republik Moldau, als mein Begleiter plötzlich mit dem Finger nach draußen zeigte und „Da, schau!“ rief. Wir waren gerade dabei, eines der vielen kleinen, unbedeutenden Dörfchen zu passieren. Aber das hier sah anders aus. Rechts von uns zog sich die Front einer großen Industrieruine hin. Alleine schon von der Größe her schien das Gelände gar nicht zu dem kleinen Dorf zu passen, aber es passte gleichzeitig auch nicht in die heutige Zeit. Vom obersten Stockwerk grüßten Hammer und Sichel. Ich reagierte sofort, wir parkten das Auto etwas weiter und schnappten uns unsere Kameras.

Am Eingang begrüßte uns ein typisch sowjetisches Relief: ein Arbeiter mit einem Vogel und einer Flagge mit der Aufschrift „миру мир“, russisch für „Weltfrieden“. Das am Baum daneben angebundene Pferd interessierte sich nicht weiter für uns, es war auch sonst niemand zu sehen, also auf ins Ungewisse…

Hier war ganz schön gewütet worden. Offensichtlich war das Gebäude schon ein mal auf dem Weg zum Abriss gewesen, dann aber doch verschont geblieben. Ein häufiges Problem in Moldau: Der Abriss würde Geld kosten, aber kein Geld einbringen. Solange die Ruinen nicht mit Schadstoffen belastet sind, lohnt sich der Aufwand meist nicht.

Vorne war offensichtlich der Büroteil gewesen, hinten schloss direkt die Produktionshalle an. Büroteil und Halle nahmen eine Fläche von geschätzt 75 mal 40 Metern ein, wobei der Großteil davon auf die Halle entfiel.

Mit viel Aufwand und einer guten Portion Russisch und Rumänisch konnte ich später herausfinden, dass es sich um eine Weinkellerei gehandelt haben soll. Wie genau die Produktion in diesem Fall abgelaufen wäre, ließ sich aber nicht mehr rekonstruieren. Was sollten die vielen „Gebläse“ mit den Gängen darunter, würde man für die Weinherstellung nicht eher Tanks benötigen? Wie wird Wein überhaupt in Großanlagen hergestellt? Vielleicht waren hier ja auch die Weinflaschen gegossen worden?

Auch nach einer genaueren Inspektion blieben unsere Fragen unbeantwortet, was die Ruine nur noch mysteriöser erscheinen ließ.

Wir begannen mit der Untersuchung der anderen Gebäudeteile. Unter diesem Vordach schien jemand in nicht zu ferner Vergangenheit Mais gelagert zu haben, allerdings dessen Pflanzenteile und nicht die Maiskolben. Der unweit davon liegende Bottich schien tatsächlich auf einen Umgang mit Flüssigkeiten hinzuweisen. Möglicherweise wurde hier der gekelterte Traubenmost umgefüllt.

Die wahrscheinlich für den Abriss oder den Abtransport der Anlagen geschlagenen Durchbrüche tauchten die um die Halle verteilten Räume in ein gespenstisches Licht. Aber auch hier gab es leider keinen definitiven Hinweis auf die Funktion der Fabrik.

Wir entschieden uns, das Außenareal erst später zu betreten und uns zuerst um den Büroteil zu kümmern. Ein eher baufälliges Treppenhaus führte nach oben ins erste und zweite Stockwerk, die Treppenstufen aus Beton hielten der Belastung aber noch stand. Einen Keller schien es nicht zu geben.

Ein Fenster im Treppenhaus ermöglichte vom zweiten Stock aus einen guten Blick auf die Produktionshalle.

Viel Interessantes gab es auch hier nicht zu sehen. Allerdings ging von dem Bauschutt, den verbliebenen Wandfarben und den von Wind und Wetter hinterlassenen Spuren eine ganz eigene Faszination aus.

Wir wollten uns gerade wieder auf den Weg nach unten machen und das Außenareal erkunden, als das Bellen eines Hundes plötzlich immer näher zu kommen schien. So leise, wie wir gekommen waren, verschwanden wir auch wieder… 😉

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Dieser Artikel wurde von Simon für One Man, One Map geschrieben. Das Original befindet sich hier. Alle Rechte vorbehalten.

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