Hiroshima 06/08/1945

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Am 6. August 1945 warf ein B-29-Bomber der US-Streitkräfte die erste Atombombe über einer von Menschen bewohnten Stadt ab. Um 08:16 Ortszeit verschwand Hiroshima (広島市) von der Landkarte, innerhalb weniger Sekunden wurden etwa 70 Prozent der für die Japaner extrem kriegswichtigen Stadt dem Erdboden gleich gemacht. Die leicht entflammbaren Holzhäuser verbrannten in einem Feuersturm. Im Stadtzentrum blieben nur sehr wenige Gebäude stehen, darunter die Atombombenkuppel (原爆ドーム, gembaku dōmu), das heutige Friedensdenkmal. Etwa 80.000 Menschen (30 Prozent der Bevölkerung) kamen sofort ums Leben, darunter fast das gesamte medizinische Personal.

Aber Japan dachte gar nicht daran, zu kapitulieren.

Der Weg zur Katastrophe

Die USA hatten im Zweiten Weltkrieg bis 1940 eine neutrale Rolle eingenommen, aber der fast schon blitzartige Einmarsch des Deutschen Reiches in Polen, Frankreich und anderen Ländern ließ vermuten, dass man über kurz oder lang auf einen Kriegseintritt vorbereitet sein musste. Während man sich nach außen hin weiterhin neutral gab, wurde die eigene Industrie auf Kriegswirtschaft umgestellt, und die Waffen gingen als „Leihgabe“ (Lend-Lease-Act) an bereits involvierte Mächte wie Großbritannien, China und die Sowjetunion.

Spätestens 1941, nach dem Einmarsch des Deutschen Reiches in die Sowjetunion und der Kriegserklärung an die USA, wurde endgültig klar, dass man das eigene Militär nicht mehr aus dem Zweiten Weltkrieg heraus halten konnte.

Die Atombombenkuppel (原爆ドーム) mitten in Hiroshima.

Bereits 1939 hatten einige in die USA geflüchtete Wissenschaftler, darunter Albert Einstein, einen Warnbrief an Präsident Franklin D. Roosevelt verfasst. Demnach gäbe es Hinweise darauf, dass die Deutschen an einer Atombombe arbeiten könnten. Allerdings nahm man damals an, dass mehrere Tonnen spaltbaren Materials benötigt würden, und keine der beteiligten Parteien mitten im Krieg über genügend Ressourcen für ein derartiges Programm verfügen würde. Insbesondere die USA gingen auch davon aus, sich erst dann um Japan kümmern zu müssen, wenn das Deutsche Reich bereits in Europa geschlagen wäre.

Dann kam allerdings eine britische Forschergruppe 1941 zu dem Schluss, dass schon wenige Kilo Plutonium für eine Bombe ausreichen würden, und im Dezember des selben Jahres griff das Kaiserreich Pearl Harbor an. Statt die Achsenmächte in weit entfernten Ländern zu besiegen, drohte den Amerikanern langsam ein Krieg auf eigenem Boden. Aktionismus brach aus. Roosevelt gab die notwendigen Mittel frei und Geheimanlagen in der Größe ganzer Städte wurden aus dem Boden gestampft. Zehntausende Wissenschaftler und Arbeiter machten sich an die Entwicklung der ersten Atombomben. Die Gesamtkosten beliefen sich damals auf etwa zwei Milliarden US-Dollar, nach heutigem Wert etwa 22 Milliarden.

Ein Modell von Hiroshima vor dem Angriff, rechts oben die spätere Atombombenkuppel (türkis). Copyright John Feather, lizenziert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 2.5 Generic Lizenz.

Italien hatte bereits 1943 kapituliert und sich den Alliierten angeschlossen, das Deutsche Reich kapitulierte am 8. Mai 1945, aber das Japanische Kaiserreich war kaum zu brechen. Eine Niederlage war inakzeptabel, und falls es doch dazu kommen sollte, wollte man sie die Alliierten teuer zu stehen kommen lassen. Obwohl die Lebensbedingungen für die Bevölkerung bereits katastrophal waren, wurde überall bis zum bitteren Ende gekämpft. Japanische Soldaten ergaben sich nur selten lebend.

Ein Großteil der meist aus Holzbauten bestehenden japanischen Städte war durch Flächenbombardements zerstört worden, aber einige blieben (für die Japaner) unerklärlicherweise verschont, darunter Kyoto und Hiroshima. Die Verschonung Kyotos soll auf Kriegsminister Henry L. Stimson zurückgehen, welcher die Stadt während seiner Hochzeitsreise besucht hatte und um deren kulturelle Bedeutung wusste. Hiroshima hingegen war das militärische Hauptquartier für die Verteidigung Südjapans und deswegen mit starken Verteidigungsanlagen ausgerüstet, hatte aber sonst keinerlei Relevanz für die Alliierten. Genau das wurde der Stadt nun zum Verhängnis. Sie war ein rein militärisches Ziel und hatte zudem als einzige japanische Stadt keine Kriegsgefangenenlager.

Nach einem erfolgreichen ersten Test am 16. Juli 1945 verfügte das US-Amerikanische Militär als erste Streitmacht der Welt über die Atombombe. Bis jetzt waren aber noch keinerlei Informationen darüber nach außen gedrungen, der Test selbst wurde als angebliche Explosion eines Munitionslagers ausgegeben. Über den weiteren Verlauf war man sich durchaus nicht einig. Eine Gruppe der Beteiligten war für eine nicht-militärische Demonstration in Anwesenheit der Japaner, eine andere für einen Abwurf über Japan mit Vorwarnung, eine dritte für einen Überraschungsangriff. Die dritte Option setzte sich durch.

Noch heute streitet man sich in der Öffentlichkeit gerne darüber, welche Option wohl die Beste gewesen wäre. Als Argument für den Überraschungsangriff wurde herangezogen, dass die Japaner wahrscheinlich trotz des Abwurfes nicht kapitulieren würden, es aber noch Wochen und Monate dauern würde, bis Atombomben in größeren Zahlen zur Verfügung stünden. Mit einer nicht-militärischen Demonstration oder einem Abwurf mit Vorwarnung würde man demnach sowohl die zerstörerische als auch die psychologische Wirkung einer der teuren Bomben unnötig „verschwenden“.

Die Diskussion über die möglicherweise vermeidbaren zivilen Opfer wird allerdings eher im Ausland geführt. Trotz der katastrophalen Zustände und der zerstörten Städte hatte es auf japanischer Seite vergleichsweise wenige Kriegstote gegeben, die Alliierten rechneten bei einer Invasion mit sehr hohen eigenen Verlusten. Die japanische Führung ging nach der Explosion über Hiroshima tatsächlich davon aus, dass die Alliierten nicht über eine größere Zahl von Atombomben verfügen würden, und wollte die wenigen Angriffe einfach „aussitzen“. Aus japanischer Sicht war der Luftangriff auf Tokio am 9. und 10. März 1945 bereits zerstörerischer gewesen als der Atombombenabwurf auf Hiroshima. Die Bevölkerung war an Schlimmeres gewöhnt.

Das beste Beispiel für die damalige Einstellung der Japaner ist die Geschichte von Tsutomu Yamaguchi (山口 彊). Er war auf Geschäftsreise in Hiroshima und befand sich nur etwa drei Kilometer vom Hypozentrum entfernt. Mit schweren Verbrennungen und einem geplatzten Trommelfell schleppte er sich zurück nach Nagasaki, wo er drei Tage später trotzdem wieder pünktlich zur Arbeit erschien. Noch während er seinen ungläubigen Vorgesetzten vom Angriff erzählte, fiel in der Nähe die zweite Atombombe. Wie durch ein Wunder blieb Yamaguchi dieses Mal unverletzt, er starb im Alter von 93 Jahren an Magenkrebs.

Erst die Kriegserklärung durch die Sowjetunion und der Abwurf der zweiten Atombombe über Nagasaki konnten den Zweiten Weltkrieg endgültig beenden.

Der Friedenspark Hiroshima

Nach dem Krieg wurde die Stadt komplett neu aufgebaut. Neben der Atombombenkuppel wurde der Friedenspark (広島平和記念公園) errichtet, welcher auch als Naherholungsgebiet dient und verschiedene Gedenkstätten beherbergt.

Weithin sichtbar waren die bunten Ketten aus Papierkranichen, welche im Andenken an Sadako Sasaki (佐々木 禎子) als Symbol für den Frieden gefaltet werden. Sadako erkrankte in Folge der Verstrahlung 1955 als junges Mädchen an Leukämie. Einer alten Legende nach würden die Götter jedem, der 1.000 Kraniche faltete, einen Wunsch erfüllen. Als die 1.000 Kraniche nach weniger als einem Monat fertig waren und trotzdem keine Heilung eintrat, faltete das Mädchen weiter. Bis zu ihrem Tod soll sie 1.600 Kraniche gefaltet haben.

Heute hängen die Ketten vor Allem am Gedenkturm für die mobilisierten und getöteten Schüler, zu beiden Seiten der Friedensgöttin Kannon (観音).

Die Flamme des Friedens stellt zwei Hände dar, welche sich zum Himmel hin wie ein Kelch öffnen. Das ewige Feuer in der Mitte ist seit 1964 nicht erloschen und soll brennen, bis alle Atomwaffen von der Erde verschwunden sind. Im Hintergrund der Kenotaph (広島平和都市記念碑) und das Friedensmuseum (平和記念資料館).

Der Kenotaph, ein leeres Grabmal, beinhaltet eine bis zum heutigen Tag aktualisierte Liste der Opfer aller Nationalitäten. Derzeit sind etwa 270.000 Namen in fast Einhundert Bänden verzeichnet.

Im Park befinden sich drei Friedensglocken. Die bekannteste davon darf von Besuchern geläutet werden, den ganzen Tag über war der laute Klang immer wieder zu hören. Die Oberfläche zeigt eine Welt ohne Grenzen, an der Schlagstelle befindet sich ein Atomsymbol.

Am Friedensmuseum stehen mehrere Phönixbäume. Diese Bäume wurden fast voll von der Druck- und Hitzewelle getroffen und verloren darauf hin alle Zweige und Blätter, einige bildeten aber im folgenden Jahr wieder Triebe. Dies kam zwar auch bei anderen Bäumen vor, welche sogar näher am Hypozentrum gestanden hatten, aber gerade diese Baumart (Chinesischer Parasol) wurde zu einem Symbol für die Hoffnung der Überlebenden.

Hiroshima heute

Bei meinem Besuch Ende 2017 war Hiroshima eine moderne japanische Stadt wie jede andere auch. Allerdings beschränken sich die Sehenswürdigkeiten fast vollständig auf den Friedenspark und andere Denkmäler. Wer sich nicht für den Zoo, die 1958 mit Beton (!) wieder aufgebaute Burg Hiroshima oder das Yamato-Museum interessiert, macht am Besten wie alle anderen einen Ausflug nach Miyajima. Vielerorts wird Touristen geraten, nur für maximal einen Tag in der Stadt zu bleiben.

Besonders angetan hatten es mir die alten, restaurierten Straßenbahnwagen. Hiroshima hat mit 35 Kilometern Streckenlänge das größte Straßenbahnnetz aller japanischen Städte. Bezahlt wurde wie üblich mit einer drahtlosen Bezahlkarte, in diesem Fall PASPY (パスピー).

Jedes Jahr am 28. und 29. Oktober findet im Shirakami-Schrein (白神社) das Herbstfest statt. Zu den vielen Veranstaltungen gehören auch Kagura (神楽), Aufführungen uralter Shintō-Tänze und -Musik. Leider fiel das Fest 2017 buchstäblich ins Wasser.

Den Platz vor der Bühne säumten unzählige Essensstände. Natürlich durfte dabei auch Hello-Kitty-Gebäck nicht fehlen… 😉

Nächster Halt: Miyajima 🙂

Dieser Artikel wurde von Simon für One Man, One Map geschrieben. Das Original befindet sich hier. Alle Rechte vorbehalten.

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