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Die Überschrift klingt wie der Titel eines Art-House-Films, und auch sonst wie eine sehr schlechte Idee. Ein einziger Tag für ganz Kyōto, das kulturelle Zentrum des Landes und für 400 Jahre sogar die Hauptstadt Japans? Das kann doch niemals reichen! Tat es auch nicht, aber nach all den Umwegen wegen des Supertaifuns war mein Zeitbudget von drei Tagen auf nur einen einzigen zusammengeschmolzen. Und ich hatte noch nicht mal in Kyōto geschlafen, sondern musste erst noch die halbe Stunde von Osaka anreisen. Es würde also ein sehr, sehr langer und recht hektischer Tag werden, und gute Planung war der Schlüssel zum Erfolg.
Mein endgültiger Plan sah folgende Stationen vor:
- Anfahrt zum Hauptbahnhof von Kyōto
- Mit dem Regionalzug weiter zum Bahnhof Saga-Arashiyama (嵯峨嵐山駅)
- Zu Fuß weiter zum Tenryū Shiseizen-ji Tempel (天龍資聖禅寺)
- Spaziergang durch den Arashiyama Bambuswald
- Über die Togetsukyō Brücke (渡月橋) weiter zum Iwatayama Affenpark (嵐山モンキーパーク)
- Mit der Keifuku Electric Railroad (京福電気鉄道株式会社) zum Kinkaku-ji Tempel (金閣寺), dem wahrscheinlich bekanntesten Wahrzeichen der Stadt
- Mit dem Bus nach Gion (祇園), dem Herbergsviertel vor dem Yasaka-Schrein
- Der Yasaka-Schrein (八坂神社)
- Bei Sonnenuntergang auf den Kyōto Tower (京都タワー)
Die Anreise nach Kyōto gestaltete sich sehr einfach. Der moderne Hauptbahnhof ist an das Shinkansen-Netz angeschlossen und auch mit den wichtigen Regionallinien verbunden. Die Eingangshalle mit der großen Stahlkonstruktion geht fast als eigene Sehenswürdigkeit durch!
Sonnenaufgang im Tenryū Shiseizen-ji (天龍資聖禅寺)
Der Flecken Erde, auf welchem diese große Tempelanlage steht, war schon vor 1200 Jahren wegen seiner natürlichen Schönheit begehrt. Kaiserin Tachibana no Kachiko (橘 嘉智子) ließ hier um 800 einen Tempel errichten, Kaiser Go-Saga und sein Sohn Kaiser Kameyama bauten sich die „Kaiserliche Villa am Schildkrötenberg“ (亀山殿), benannt nach der Form des nahen Mount Ogura. Dass fast jeder Hügel irgendwo wie eine Schildkröte aussieht, davon darf man sich bei dieser schönen Geschichte halt nicht stören lassen 😉
Das 14. und 15. Jahrhundert waren zwei recht turbulente Jahrhunderte für Kyōto und ganz Japan. Kaiser starben, Shōgune lehnten sich gegen schwache Kaiserreiche auf, Freunde wurden zu Feinden, Feinde zu Freunden. Shōgun Ashikaga Takauji (足利 尊氏) hatte sich mit Kaiser Go-Daigo (後醍醐天皇) angelegt, und sah sich nach dessen Tod genötigt, den Geist des Toten zu besänftigen. Aus der Kaiserlichen Villa wurde deswegen der Tenryū-ji-Tempel (天龍寺, „Drache am Himmel“) mit einem eigens angelegten See. Um die immensen Kosten zu schultern, baute man zwei Handelsschiffe, taufte diese auf den Namen des Tempels und verkaufte sie an einen Händler.
Religion ist in Japan eine Dienstleistung, und genau so wurde auch dieser Tempel behandelt. Als sich die Chinesen ab 1430 weigerten, mit Regionen außerhalb der Sinosphähre Handel zu treiben, und die Japaner gar nicht daran dachten, sich unter die Herrschaft der Chinesen zu stellen, fand man folgenden Kompromiss: der Tenryū-ji-Tempel durfte mit den Chinesen Handel treiben, wenn die Chinesen dafür mit über den Nachfolger des Obersten Abts bestimmen durften. Dadurch erhielt der Tempel ein Monopol auf den Handel zwischen Japan und China, und seine Mönche und Priester koordinierten wichtige Handelsrouten bis weit ins 19. Jahrhundert.
Die ausgedehnte Grünanlage überraschte vor Allem mit ausgefallenen Details und wunderschönen Wegen in ruhigen Waldstücken. Die Japaner wussten halt einfach, wie man Natur und Architektur möglichst harmonisch verbindet!
Der Arashiyama Bambuswald
Nicht weit vom Tenryū-ji befindet sich ein Waldstück voller Bambuspflanzen, für japanische Verhältnisse ein eher seltener Anblick. Und wo ein Fleck Land gleichzeitig selten und einfach zu erreichen ist, da finden sich auch Horden von Touristen…
Nach dem Supertaifun zeigte sich die Anlage allerdings nicht gerade von ihrer besten Seite. Viele Pflanzen waren umgeknickt oder sogar entwurzelt worden.
Arashiyama und die Togetsukyō Brücke (渡月橋)
Arashiyama wird von gleich drei Bahnhöfen und mehreren Buslinien bedient, die Reisebusse noch gar nicht eingerechnet. Die Touristen nahmen das Angebot gerne an und überfluteten den Park und die Straßen zwischen den historischen Gebäuden, wie üblich mit Vorliebe in gemieteten Kimonos.
Wer es wirklich standesgemäß haben wollte, mietete sich eine Rikscha samt menschlicher Zugmaschine und ließ sich an den Souvenirständen vorbei durch die Straßen ziehen 😉
Die Keifuku Electric Railroad (京福電気鉄道株式会社)
Als alter Eisenbahnfreund habe ich die Strecke zwischen Arashiyama und dem Kinkaku-ji Tempel, meiner nächsten Station, natürlich nicht mit dem Bus zurückgelegt. Die Keifuku Electric Railroad betreibt neben den Stadtbussen und mehreren anderen Bahnen auch zwei Straßenbahnlinien. Als Europäer wurde man diese beiden kleinen Bahnlinien aber wohl eher nicht mehr als Straßenbahnen bezeichnen.
Neben den neueren, für Japan typischen Garnituren waren auch mehrere historische Fahrzeuge im Einsatz. Bezahlt wurde mit den üblichen kontaktlosen Karten (SUICA, PASMO etc.), welche ich sowieso auch für andere Verkehrsmittel benötigte.
Der Kinkaku-ji Tempel
Um ehrlich zu sein: Ich hätte fast davon abgesehen, hier hier zu kommen, weil ich schon von den Touristenmassen gehört hatte. Immerhin handelt es sich um das Wahrzeichen der Stadt und eines der bekanntesten Wahrzeichen Japans. Allerdings habe ich mich dann doch von den schönen Bildern im Internet überzeugen lassen und beschlossen, den gefühlt einer Milliarde Bilder des Goldenen Pavillons noch ein weiteres hinzuzufügen 😉
Der Anblick war schon nicht von schlechten Eltern war, das muss ich zugeben, und der Tempel am See würde sicher auch eine große Ruhe ausstrahlen, wenn man nicht ständig von (auf den Fotos nicht sichtbaren) Touristen umgeben gewesen wäre. Der Rest der Anlage konnte leider nicht mit dem ersten Eindruck mithalten, besonders nicht im Vergleich zum Tenryū-ji.
Zeit für Tempel-Unterhaltung 😉 Wer die anderen Artikel über Japan gelesen hat, kennt das ja schon. Dieses Mal kam die Unterhaltung in der Form eines „Geschicklichkeitsspiels“, vor welchem die Besucher Schlange standen. Natürlich warfen die meisten daneben und versuchten es immer und immer wieder. Im Mittel sicher eine sehr viel ergiebigere Einnahmequelle als ein Wunschbrunnen!
Ganze fünf Mal stand die Zahl „100“ auf diesem Automaten, denn so viele Yen sollte eine Prophezeiung. kosten. Zu viele Touristen hatten wohl ihre Probleme damit gehabt, die richtigen Münze einzuwerfen. Nun gut, dachte ich mir, mal schauen, was die Zukunft so bringen sollte…
Alles würde gut werden, bloß nicht übertreiben, und auf Reisen bloß nicht hasten… Na toll. Ich hatte den Tag schon genau so begonnen, wie Ich es nicht hätte tun sollen! 😯
Gion (祇園)
Mit dem Bus ging es weiter nach Gion. Dieses Stadtviertel hatte sich über Jahrhunderte vor dem Yasaka-Schrein gebildet, um die Bedürfnisse der vielen Reisenden und Pilger zu befriedigen. Mit der Zeit entwickelte es sich zu einem dem größten und exklusivsten Geisha-Viertel Japans, allerdings bezeichnen sich die Geisha in Kyōto als Geiko, übersetzt „Frau der Künste“.
Von den wenigen breiten Straßen zweigen viele kleine, enge Straßen ab. „Echte“ Geisha im traditionellen Sinn gab es zwar nicht mehr, aber das machte nichts – gefühlt gab es hier die höchste Konzentration an Miet-Kimonos in ganz Japan 😯
Der Yasaka-Schrein (八坂神社)
Kurz vor Sonnenuntergang ging es noch in den Yasaka-Schrein. Dieser gehört zu den wichtigsten, größten und ältesten Schreinen Japans. Viele Schreine wurden ja erst nach dem Jahr 800 oder noch sehr viel später gegründet, aber der erste Stein des Yasaka-Schrein wurde schon im Jahre 656 gelegt. Durch die Nähe zur kaiserlichen Familie gewann er immer mehr an Bedeutung, weitere Gebäude und Gartenanlagen kamen hinzu.
Heute kann man vom Haupttor aus in einer geraden Linie mehr als einen halben Kilometer weit laufen, bevor das Gelände an einem Berghang endet. Wer dort hinauf wandert, landet nach einigen Kilometern auf der anderen Seite im Stadtteil Yamashina (山科区).
Ein Mal im Leben in Kyōto einen Kimono ausleihen, die große Glocke läuten und ein Bild davon an die Verwandtschaft schicken – offensichtlich der Traum vieler älterer Damen.
Inu-Bushi (侍犬), der beste Freund des Samurai. Sein Herrchen saß neben dran, war Musiker und verkaufte CDs. Aber die Hauptattraktion war natürlich der Hund, er hat sogar eine eigene Facebook-Seite 😉
Kyōto Tower
Sieht man auch nicht alle Tage: Ein Aussichtsturm, welcher frei auf dem Dach eines neunstöckigen Hotels steht. Wegen der komplizierten Statik hat es nicht ganz für die sonst üblichen Abmessungen gereicht, die Spitze befindet sich in nur 131 Metern Höhe, die Aussichtsplattform in nur 100 Metern. Trotzdem war die Aussicht sehr schön. An klaren Tagen sieht man bis ins etwa 40 Kilometer entfernte Osaka.
Nachts spiegelte sich der Turm auch sehr schön in der Glasfassade des Hauptbahnhofs!
Nächster Halt dann: Hiroshima! 🙂
Dieser Artikel wurde von Simon für One Man, One Map geschrieben. Das Original befindet sich hier. Alle Rechte vorbehalten.