Gyeongju: Von (Grab-)Hügeln und Bergen

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Also ich um zehn Uhr morgens nach knapp 130 Kilometern Fahrt in Gyeongju aus dem Bus fiel, hatte es schon seit mehr als 24 Stunden nur geregnet. In Deutschland wäre das Anfang Oktober kein Grund zur Aufregung gewesen, aber in Südkorea sollte der absolute Großteil des Regens eigentlich im Sommer fallen, damit dann für den Herbst und Winter nichts übrig bleibt. Nun ja. Man konnte ja auf den Fotos aus Andong schon sehen, dass das Wetter nicht unbedingt immer das Beste war.

Ich zog also meine Habseligkeiten hinter mir her durch die Pfützen und checkte erst mal in meiner Unterkunft ein, dem OP 102 Guesthouse. Vorne ein Cafè, hinten und im ersten Stock einige ziemlich kleine Zimmer. Das WLAN war mal wieder unterirdisch langsam (auf jeden Fall viel langsamer, als man für 31 Euro pro Nacht erwarten darf!), aber dafür gab es zwei unschlagbare Vorteile: Sehr nette Inhaber und Fahrradverleih für fünf Euro pro Tag. Ja, richtig gelesen: Pro Tag, nicht pro Stunde. Mit einem Fahrrad kann man sich in Gyeongju am Besten fortbewegen, alles liegt auf einer Höhe und nach beieinander. Also direkt aufgesattelt und los!

Gyeongju war vom 1. bis zum 9. Jahrhundert nach Christus die Hauptstadt des Königreichs Silla und des Vereinigten Sillareichs, und damit zeitweise die Hauptstadt der gesamten Koreanischen Halbinsel. Die späteren Hauptstädte lagen dann immer weiter in der Mitte der Halbinsel, so wie heute Seoul.

Typisch für die Stadt sind die vielen Königsgräber. Mehr oder weniger überall kann man bis zu 25 Meter hohe künstliche Hügel sehen – je höher, desto wichtiger war der Verstorbene. Erst 1920 wurden einige der Gräber geöffnet und große Mengen an Gold gefunden. Man sollte sich übrigens zwei Mal überlegen, ob man wirklich auf so einen Hügel klettern möchte: Die Strafen liegen bei bis zu 15.000 €!

Gyeongju ist heute mit etwa 265.000 Einwohner nicht viel größer als mein vorheriges Reiseziel Andong, aber wegen der großen historischen Bedeutung ein wichtiges Ziel für (Inlands-)Touristen. Für einige Zehntausend Won (bis um die 50 Euro) konnte man sich Kostüme aus der alten Zeit ausleihen und einen Tag lang wie ein König oder eine Königin durch die vielen Parkanlagen, Gärten und Tempelhöfe flanieren.

Die Einwohner machten in der Zwischenzeit das Beste aus dem schlechten Wetter und holten ihre Drachen raus. Okay, man muss fairerweise sagen, dass das eher ein Zeitvertreib für die älteren Semester war, …

… die Jüngeren spielten lieber mit ihren Smartphones und ließen das „analoge“ Spielzeug ganz klar links liegen.

Die Südkoreaner sind ein sehr „fotoverrücktes“ Volk. Alles muss in Szene gesetzt und festgehalten werden, ob man sich nun gegenseitig möglichst offensichtlich seine Liebe zeigt …

… oder ein „einzigartiges“ Instagram-Porträtfoto in einem „einsamen“ violetten Feld schießt.

Tagesausklang in Wolji

Eine wunderschöne Teichanlage am südöstlichen Ende der Altstadt, früher Teil einer ganzen Palastanlage. Der Name wechselte immer wieder, aus „Teich mit das Wasser überblickenden Gebäuden“ (Imhaejeonji) wurde später „Enten- und Gänseteich“ (Anapji) und schließlich „den Mond widerspiegelnder Teich“ (Wolji, 안압지). Der Eintritt lag bei nur 2.000 Won (ca. 1,50 €) für Erwachsene, und nachts waren Gebäude und Bäume sehr schön beleuchtet. Allerdings sollte man sich je nach Jahreszeit auf sehr, sehr viel Publikum gefasst machen.

Nach der ganzen Anstrengung wurde auch mal eine Stärkung fällig. Wie so oft waren die Informationen aus dem Internet nicht mehr aktuell, das angepeilte Restaurant existierte schon nicht mehr, aber dafür befand sich in dem Lokal ein anderes Restaurant mit ähnlicher Speisekarte. Im Gegensatz zu Seoul habe ich hier wirklich sehr gut und preiswert gegessen. Das Ding mit dem vielen Ketchup drauf ist übrigens Omurice, ein mit Reis gefülltes Omelett. Das Rezept dafür stammt aus Japan, aber die Südkoreaner bedienen sich ja ständig bei den Japanern. Die schwarz umhüllte Rolle rechts ist Gimbap (김밥), und wer sich an Sushi erinnert fühlt, fühlt völlig richtig.

Mit dem Rad zum Namsan Mountain

Am nächsten Tag ging es wieder direkt aufs Fahrrad und in Richtung Namsan Mountain, einem beliebten Erholungsgebiet mit vielen Wanderwegen und im Wald versteckten Tempeln und Statuen. Auf den knapp sechs Kilometern Fahrt gab es so einiges zu sehen, darunter diese komplett wieder aufgebaute Brücke hier (im Internet nur als 경주 월정교 zu finden), oder die traditionellen Häuser mitten in den Feldern.

 

Für die Radwege galt: Idee gut, Ausführung mangelhaft. In einem Autoland wie Südkorea darf man als Fahrradfahrer keine großen Ansprüche stellen. Angeblich möchte die Regierung aber etwas an der Situation ändern und plant ein landesweites Netz von Radfernwegen.

Ähm, nun ja, wer hat nicht gerne ein paar Statuen im Vorgarten?!

Auf den Namsan führen über 40 Wanderwege. Am beliebtesten ist wohl der Abschnitt durch das Tal bei Samneung (삼릉): Es gibt einen großen Parkplatz, die Route ist nicht zu steil, und unterwegs gibt es so einiges zu sehen. Für die anderen Abschnitte sollte man deutlich mehr Kondition mitbringen. Zwar sind es nur 400 Höhenmeter bis zu den meisten Gipfeln, aber die Wege können zwischendurch sehr steil und auch etwas gefährlich sein.

Ob sich die Eichhörnchen wohl für das religiöse Treiben am Boden interessieren? Wahrscheinlich nicht…

Bulguksa (불국사)

Dieser buddhistische Tempel liegt etwa 15 Kilometer südöstlich der Stadt. Ich konnte zu diesem Zeitpunkt schon ausreichend Hangul lesen, um den Bus Richtung Bulguksa alleine zu finden, aber im Gegensatz zur Stuation in Andong kann man den Bus sowieso kaum verfehlen – mehrere Linien fahren in recht kurzen Abständen, und das Personal in den Unterkünften kennt die wichtigen Haltestellen und Linien sowieso. Zur Abwechslung schien auch sogar mal für eine Weile die Sonne!

Zwischen Bushaltestelle/Parkplatz und Tempeleingang liegt ein kurzer, steiler Aufstieg. Hier drängten sich die Straßenhändler, und falls nach der halbstündigen Busfahrt schon wieder Hunger im Anmarsch war, konnte man hier allerhand interessantes finden. Zum Beispiel Mais in ungewohnten Farben, …

… oder wie wäre es mit gekochten Seidenraupen? Hatte ich in Vietnam schon probiert, schmecken leider nach gar nichts.

Die Tempelanlage selbst war wirklich beeindruckend, vor allem für südkoreanische Verhältnisse. Bis 1392 war der Koreanische Buddhismus die Staatsreligion gewesen, wurde aber während der folgenden Joseon-Dynastie vollständig unterdrückt. Ein Großteil der Kloster wurde aufgelöst, Buddhistische Mönche und Nonnen durften die Städte nicht mehr betreten, buddhistische Begräbnisse wurden verboten.

Nachdem die buddhistischen Mönche bei der Verteidigung Koreas gegen die Japaner (1592 bis 1598) eine wichtige Rolle gespielt hatten, wurde die Situation wieder besser, aber erholt hat sie sich nie. Man muss heute wahrscheinlich schon froh sein, dass Bulguksa überhaupt noch in dieser Pracht existiert.

Die Götter um Glück für den Job, die Schule, die Familie etc. bitten ist gefühlt eine der Haupttätigkeiten im Buddhismus. Jede Schule und jedes Land hat seine eigenen Riten. Mal werden Zettel um Drähte oder Fäden gebunden, mal an Statuen geklebt/gehängt, und hier hängen sie von Laternen. Offensichtlich auch ein beliebter Zeitvertreib für Touristen aus aller Welt, ob nun buddhistisch oder nicht 🙂

Nicht verwechseln: Die Swastika ist im Buddhismus (je nach Ausprägung) ein Symbol für Festigkeit, Ausdauer, Beständigkeit, Glück, das Herz Buddhas oder seine Fußspuren. In Burma, Kambodscha, Laos, Sri Lanka und Thailand werden auch gerne die Verpackungen streng vegetarischer Lebensmittel mit einer Swastika markiert.

Nächster Artikel: Mit dem Zug nach Busan, meinem letzten Halt in Südkorea auf dieser Weltreise 🙂

Dieser Artikel wurde von Simon für One Man, One Map geschrieben. Das Original befindet sich hier. Alle Rechte vorbehalten.

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