Ein Tag… auf der Chinesischen Mauer bei Mutianyu

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Wenn man effektiv nur zwei Tage Zeit für einen Besuch in Peking und Umgebung hat, ergibt sich die Aufteilung eigentlich fast schon von selbst. Ein Tag geht an den Tianamen-Platz, die Verbotene Stadt und angrenzende Bereiche, und der andere natürlich an die Chinesische Mauer (萬里長城).

Aber „die Mauer“ (es sind in Wahrheit mehrere, nicht unbedingt miteinander verbundene Mauern) ist insgesamt über 20.000 Kilometer lang, und allein im Stadtgebiet von Peking gibt es einen 600 Kilometer langen Abschnitt der Hauptmauer. Vier Bereiche dieses Abschnitts werden üblicherweise von Touristen besucht, man kann aber auch lange und abenteuerliche Touren zu nicht restaurierten Bereichen buchen. Also was denn nun? Wo darf man mit dem 72 Stunden gültigen Temporary Entry Permit überhaupt hin, und wie habe ich mich entschieden?

Wenn man nicht viel Zeit hat und/oder nicht zu weit fahren will bzw. kann (man darf das Stadtgebiet von Peking ja nicht verlassen), läuft die Entscheidung meist auf den Abschnitt von Badaling (八達嶺鎮) oder den Abschnitt von Mutianyu (慕田峪, ausgesprochen Mu-tian-jü) hinaus. Badaling liegt nur etwa 70 Kilometer von Peking entfernt, ist der am häufigsten besuchte Abschnitt der gesamten Chinesischen Mauer und gilt als „überrestauriert“. Auch wird häufig vor den Massen an chinesischen Touristen gewarnt, welche sich dort meistens tummeln.

Andererseits ist Badaling halt auch sehr einfach und günstig auf eigene Faust erreichbar. Enweder fährt man mit der Metro zur Haltestelle Jishuitan (水潭站), läuft kurz zum Autobusbahnhof Deshengmen (德胜门) und fährt in etwa einer Stunde für 12 Yuan (knapp 1,50 Euro) mit der Expressbuslinie 877 zur Mauer. Oder man fährt mit der Metro zur Haltestelle Qianmen (正陽門) und bezahlt 20 Yuan (knapp 2,50 Euro) für ein Ticket für die Tourist Bus Line 1, fährt dann aber über eineinhalb Stunden. Der Eintritt für Badaling (40/45 Yuan je nach Jahreszeit) kommt noch dazu.

Da Peking selbst schon voller Touristen war, wollte ich mich am Wochenende nicht auch noch auf der Chinesischen Mauer mit den Touristen drängeln. Außerdem wollte ich es etwas originalgetreuer und „spektakulärer“ als in Badaling haben. Daher hatte ich mich für eine Tour nach Mutianyu entschieden. Hier tummeln sich eher die Ausländer, der Abschnitt ist zurückhaltender restauriert und steiler als Badaling, aber es gibt eben leider keine einfache Busverbindung.

Der Veranstalter wollte für Bus, Eintritt und Mittagessen 280 Yuan (ca. 36 Euro). Nicht ganz billig, aber man wird vor dem Hotel abgeholt und wieder dort hin zurück gebracht, man hätte sowieso etwas essen müssen, und der reguläre Eintrittspreis für die Mauer beträgt auch schon 40 Yuan. Die Busfahrt dauerte eineinhalb Stunden pro Richtung und war recht abenteuerlich, da der Busfahrer immer wieder über Schleichwege fuhr. Allerdings war uns schnell klar, dass es auf den verstopften Straßen sonst noch viel länger gedauert hätte.

Die Touren sind nicht geführt. Man erreicht gegen zehn Uhr morgens Mutianyu, läuft an den Souvenirshops im Tal direkt vorbei, fährt mit dem Shuttle-Bus die drei Kilometer bis zum eigentlichen Eingang, bekommt das Eintrittsticket in die Hand gedrückt und taucht dreieinhalb bis vier Stunden später beim Restaurant wieder auf. Optimal also, jeder kann sein eigenes Tempo wählen. Und länger als dreieinhalb Stunden hätte ich es bei 28 Grad und Sonnenschein auf den mehr als 2.000 Treppenstufen auch nicht ausgehalten.

Ein knapp vier Kilometer langer Bereich von Mutianyu wurde restauriert und für Touristen freigegeben. Dieser verläuft von Wachturm Nummer 1 (oben rechts) bis zu Wachturm Nummer 20 (oben links). Zwischen den einzelnen Wachtürmen liegen jeweils knapp 200 Meter. Wer sich über die Absperrungen bei Turm 20 hinwegsetzt, kann sich auf den wenig bzw. nicht restaurierten Teilen auch bis zu Turm 25 vorarbeiten.

Parkplatz und Ticketschalter liegen weit unterhalb der eigentlichen Mauer, also musste man sich entscheiden, wie man denn nun nach oben kommen wollte…

Die Seilbahn kostete zusätzlich zur Tour noch mal 100 (ca. 13 Euro, Einzelfahrt) bzw. 120 Yuan (ca. 15 Euro, Hin- und Rückfahrt). Der Fußweg ist kostenlos, hat dafür aber über 400 Stufen. Ich habe es mir einfach gemacht, bin mit der Seilbahn hoch gefahren und dann am Ende zu Fuß die Treppen herunter gelaufen.

Bei meinem Besuch wehte ein starker Wind die Wolken und den ganzen Smog weg, man konnte ausnahmsweise mal wirklich weit in die Ferne blicken. Sonnencreme nicht vergessen!

Seilbahn und Fußweg führen zu verschiedenen Stellen. Die Seilbahn endet bei Turm 14, über den Fußweg kann man dagegen die Türme 8 und 10 erreichen. Es gibt auch noch einen Sessellift, welcher bei Turm 6 endet, von dort geht es dann mit einer kurzen Sommerrodelbahn wieder herunter.

An der Bergstation der Seilbahn steht übrigens dieser schöne Stein:

Man startet je nach Wahl irgendwo in der Mitte des restaurierten Bereiches und muss sich überlegen, in welche Richtung man laufen will: zu Turm 1 oder zu Turm 20. Richtung Turm 1 geht es erst in die Tiefe und auf dem Rückweg zurück nach oben, …

…und Richtung Turm 20 geht es erst steil nach oben und dann auf dem Rückweg wieder zurück nach unten.

Ich hatte mich für den Weg Richtung Turm 20 entschieden. Zum einen versprach ich mir von dort oben einen schöneren Ausblick, zum anderen erschien es mir besser, mich erst nach oben zu kämpfen und dann am Ende „entspannt“ wieder zurück ins Tal laufen zu können.

Wer die komplette Mauer zwischen Turm 1 und 20 sehen will, muss innerhalb von dreieinhalb Stunden mehr als acht Kilometer zurücklegen. Die meisten Touristen schaffen es von Turm 14 (Bergstation der Seilbahn) bis zu Turm 19 oder 20 und dann wieder zurück zu Turm 14. Ich habe es immerhin von Turm 14 bis zu Turm 21 und dann zurück bis zu Turm 8 geschafft, damit aber auch die dreieinhalb Stunden bis auf die letzte Minute ausgenutzt.

Während der Ming-Dynastie wurde noch in die Anlagen investiert, aber das Reich der darauf folgenden Qing-Dynastie war größer und lag nun zu beiden Seiten der Mauer. Deswegen hatte die Chinesische Mauer seit dem 17. Jahrhundert keine Funktion mehr und verfiel immer weiter. Die Qing-Dynastie ließ übrigens dann eine Palisadenwand zwischen der Mongolei und der Mandschurei errichten, ähnlich dem römischen Limes. Allerdings ging es dabei weniger um militärischen Schutz, sondern um die Verhinderung illegaler Einwanderung – ganze 400 Jahre vor den Migrationszäunen der heutigen Zeit.

Die Wachtürme dienten früher als Aussichtspunkte, Unterkünfte für die Soldaten und als Fernmeldezentralen. Mit Hilfe von Rauchzeichen und Signalfeuern wurden zum Beispiel Alarmmeldungen übertragen.

Wer wäre bei dieser Aussicht nicht gerne Wächter gewesen? Mutianyu liegt recht unzugänglich auf einer Bergkette, wahrscheinlich hatten die Soldaten nicht viel abzuwehren…

… mit Ausnahme dieses kleinen Möchtegern-Mongolen hier vielleicht 😉

Immer steiler und steiler ging es hinauf, an manchen Stellen sogar fast schon gefährlich steil…

…bis ich bei Turm 20 endlich die volle Aussicht genießen konnte.

Die Natur fühlte sich in der unberührten Gegend sichtlich wohl. Überall flatterte und krabbelte es, und wer weiß, was sich in den Wäldern sonst noch so alles herumtreibt.

Diese großen Insekten sind Vertreter der Gattung Lycorma delicatula (einen deutschen Namen scheint es noch nicht zu geben). Seit einigen Jahren kommen sie auch in Südkorea und den Vereinigten Staaten von Amerika vor und gelten dort als Planzenschädlinge ohne nennenswerte Feinde. Erstaunlicherweise haben sie sogar die Winter in Pennsylvania überlebt.

Nach diesem anstrengenden Tag hatte ich mir das Mittagessen wirklich verdient. Danach ging es zurück ins Hotel und am nächsten Tag um fünf Uhr morgens zum Flughafen, in den Flieger zur nächsten Station: Seoul! 🙂

Dieser Artikel wurde von Simon für One Man, One Map geschrieben. Das Original befindet sich hier. Alle Rechte vorbehalten.

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