St. Petersburg: Von Katzen und Fischen

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Mittlerweile war ich in St. Petersburg angelangt. Der Sapsan (сапсан) fährt die Strecke von Moskau in vier Stunden, und man hätte fast meinen können, ich wäre schon wieder nach Deutschland zurückgekehrt:

Sieht nicht nur aus wie ein ICE, IST ein ICE 😉 Mit dem kleinen Unterschied, dass dieser hier auch bei -40 °C noch problemlos funktioniert, vielleicht sollte die Deutsche Bahn mal anfragen… *hust*

Im Moskauer Bahnhof von St. Petersburg befindet sich übrigens diese schöne alte Karte. Die Farben kennzeichnen, von welchem Bahnhof der Stadt aus man welche Städte erreichen konnte. Ganz links steht sogar Berlin…

Die Hauptsehenswürdigkeit der Stadt ist natürlich die Auferstehungskirche. Eigentlich sollte einfach nur eine Gedenkstätte für den ermordeten Zaren Alexander den Zweiten gebaut werden, aber dann sollen die Spenden von Privatleuten so hoch gewesen sein, dass man diese wunderschöne Kirche bauen konnte. Der Eintritt war mit 250 Rubeln (ca. 3,60 €) für lokale Verhältnisse recht günstig, und der Anblick der Dekorationen im Inneren war es auf jeden Fall wert.

Am Kanal vor der Auferstehungskirche drängelten sich die Straßenhändler. Wie immer gab es den üblichen Kitsch, und natürlich massenhaft Matrjoschkas in allen Formen, Farben und Größen. Die größten bestanden aus bis zu 30 Figuren und wechselten dann doch erst für etwa 25.000 Rubel (ca. 350 €!) den Besitzer…

Diese Variante hier scheint mir dann doch eher nur für Touristen hergestellt zu werden 😉

Innovation aus Russland: Viagra-Spam (Виагра) einfach auf die Straße drucken. Ob 150 Rubel (ca. 2,20 €) pro Tablette wohl viel gewesen wären? Eventuell hätte ich damit nach meiner Rückkehr ein kleines Geschäft machen können… 😉

Von der Auferstehungskirche ging es dann weiter zur Eremitage. Im Grund befindet sich darin nur ein Kunstmuseum, aber in den Kellern geht es um Leben und Tod!

Die Katzen der Eremitage

Seit 1745 beschützt ein von Wachleuten versorgtes und bewachtes Katzenrudel die wertvollen Gemälde vor Nagetieren. Wahrscheinlich einer der wenigen Orte auf der Welt mit „Vorsicht, Katze“-Schildern!

Ein mal im Jahr darf die Bevölkerung einen Teil der Keller kostenlos besichtigen, und wie es der Zufall wollte, war ich am 13. Mai 2017 natürlich genau passend zur Stelle. Die Schlange ging fast bis vor den Innenhof, und es ging nur grüppchenweise voran. Hinunter in den Katzenkeller…

Irgendwo zwischen all den Rohren und Leitungen sollen sich wohl Nagetiere befinden, und hinter diesen sollen Katzen herlaufen. Ob das in Zeiten von Mausefallen noch so ist, ist wahrscheinlich eine andere Fragen, und ich habe da unten auch weder Maus noch Katze gesehen 🙂 Dafür feierten die Schüler der Stadt den Tag der Eremitage-Katzen, indem sie ihnen selbstgemalte Bilder schenkten. Die Gänge hingen an allen Ecken voll damit.

Beeindruckend, wie gut mancher fünfzehnjährige Schüler malen kann 😯

Zum Schluss hatte ich sie dann doch noch erwischt: Eine echte Eremitage-Katze beim Auslauf mit ihrem Wachmenschen 🙂

Aber nicht nur Katzen wurden hier spazieren geführt! 😯

Neben der Eremitage konnte man die Russen wieder bei einem ihrer Rituale beobachten. Wer die Füße dieser Riesen streichelt, hat natürlich hinterher besonders viel Glück. Was ist das nur mit den Russen und der Statuen-Streichelei, das gab es doch schon mit den Hunden in der Moskauer Metro

Ein Stückchen weiter befindet sich die Isaakskathedrale. Mich hatte allerdings eher das schöne Panorama vom Dach aus interessiert…

Etwas Unterhaltung…

Die meisten Sehenswürdigkeiten, und damit auch die meisten Straßenkünstler und anderen „Touristendienstleistungen“, finden sich im Bereich zwischen Auferstehungskirche und Isaakskathedrale. Hier wurden den ganzen Tag lang Instrumente gespielt, Flyer verteilt, Bilder gemalt, Grimassen geschnitten und Touristen kutschiert.

Das hier gehört wohl auch eher in die Kategorie „Kunst“… 😉


Den Hare Krishna ging es weniger um Kleingeld, sondern eher um das Seelenheil. Auch in St. Petersburg gab es – wie schon in Moskau – eine größere Ansammlung tanzender Anhänger. In der Sowjetunion wurde die Religionsgemeinschaft verfolgt, und auch im heutigen Russland sieht es nicht viel besser aus. Auf dem Papier ist es nicht verboten, Krishna anzubeten. Auf eine Baugenehmigung für einen Tempel wartet man allerdings schon seit 27 Jahren.

Das großartige Taktgefühl dieses Herren hier brachte dann doch etwas Unordnung in die Reihen 😉

Auf zur nächsten Touristenfalle: Der Peter-und-Paul-Festung auf einer großen Insel mitten im Fluss Newa. Hier war ich recht enttäuscht, denn es war wirklich nur eine Touristenfalle. Die Festung liegt zwar schön am Wasser, aber bis auf das eine oder andere Museum oder einen Spaziergang auf den Festungsmauern gab es nichts zu tun.

Das sahen die Stadtbewohner wohl auch so und nahmen lieber ein (Sonnen-)Bad. Bei elf Grad Celsius Lufttemperatur. Man muss halt nehmen, was kommt!

Recht beeindruckend war allerdings dann das Glockenspiel der Peter-und-Paul-Kathedrale (auf Play drücken):

Korjuschka!

Ich hatte aber nicht nur mit dem Tag der Eremitage-Katze Glück, am selben Wochenende lief ich dann auch noch sozusagen dem Katzenhimmel über den Weg: Korjuschka (корюшка)! So bezeichen die Russen den Europäischen Stint, einen etwa 15 cm kurzen Fisch, welcher in der Ostsee gefangen wird.

Jedes Jahr im April oder Mai findet ein Korjuschka-Festival statt. In St. Petersburg fand dieses auf dem Messegelände weit vor der Innenstadt statt, und ich war hier wirklich völlig zufällig gelandet. Die Abwesenheit von anderen Touristen hat nicht geschadet, dadurch ging es noch richtig spaßig und ursprünglich zu 😉

Die kleinen Fische wurden in Massen kurz in Roggenmehl gewälzt und dann frittiert. Der Kopf wird vor dem Essen entfernt, der Rest aber nicht, da der Schwanz und die Gräten sehr weich sein sollen.

Leider vertrage ich keinen Fisch, aber das war kein Problem, gleich nebenan wurde einfach mit anderem Getier weitergegrillt. Mit meinem Russisch kam ich normalerweise ganz gut zurecht, aber hier wurde nach Gewicht verkauft, und ich konnte mich mit der Dame an der Kasse nicht auf eine Zahl einigen. Glücklicherweise sprach ihr Mann Alexander (alle Russen heißen am Ende Alexander!) ausgezeichnetes Englisch, und während er vor sich hin grillte und ich auf meine Portion wartete, kamen wir ins Gespräch.

Alexander hatte studiert und arbeitete als Ingenieur für einen europäischen Autokonzern, seine Frau als Lehrerin. Obwohl beide noch keine Kinder hatten, kamen sie mit ihren beiden Gehältern nur eher schwer aus. Ihre Hochzeitsreise hatte immerhin zehn Tage gedauert und nach Kroatien und Triest geführt, für viele Russen ein großer Luxus.

Das größte Problem sei wohl das Schengen-Visum: Als Russe muss man vor der EU sozusagen „die Hosen herunterlassen“. Reisepass, Passfotos und ein Formular reichen noch lange nicht. Man muss ein komplettes Schreiben mit einer guten Begründung und der kompletten Reiseplanung, eine Kopie des Arbeitsvertrages, beglaubigte Kopien der Bankauszüge der letzten sechs Monate (!), eine Abwesenheitserlaubnis des Arbeitgebers (!) und eine Kopie der letzten Steuererklärung beilegen. Diese Daten will nicht der russische Staat, sondern die EU, wohlgemerkt. Verglichen damit hat man es als Europäer sehr einfach, nach Russland einzureisen!

Rund um das Korjuschka-Festival gab es natürlich auch viel Unterhaltung für Groß und Klein. Besonders beliebt ist „Fang den Fisch“: Der Spieler wird in eine Anglerhose gesteckt, bekommt ein langärmeliges T-Shirt mit zugeknoteten Ärmeln in die Hand gedrückt, und fischt damit in einem trüben Schwimmbecken nach einem mittelgroßen Fisch.

Natürlich macht das Publikum dabei lautstark mit und gibt nutzlose Hinweise, …

…und manche zeigen vollen Körpereinsatz.

Meistens ist aber einfach nur viel Glück dabei, die Dame hier hatte ihr Kleidungsstück vorher zehn Minuten lang sehr lustlos und langsam durch das Wasser gezogen:

In Russland kann man noch mit echten Vögeln auf echte Bretter und Schweine schießen, wie früher! 😉

Auch in St. Petersburg scheint „Historisches Kriegsgerät in einen Abenteuerspielplatz verwandeln“ ein beliebter Kindersport zu sein…

Ich verabschiede mich dieses Mal mit einer Panorama-Aufnahme, welche um 20:30 von meinem Hotelzimmer aus aufgenommen wurde. Es war zwar nicht so schlimm wie bei meiner Reise nach Finnland im Jahre 2014, aber hier zeichnete sich schon deutlich ab, was man sich unter den „Weißen Nächten“ Ende Juni vorzustellen hat 🙂

Dieser Artikel wurde von Simon für One Man, One Map geschrieben. Das Original befindet sich hier. Alle Rechte vorbehalten.

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