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Nach so viel Militär und Untergrund geht es in meinem letzten Artikel zu Moskau heute um die Sehenswürdigkeiten über der Erde. Es soll ja doch so einiges geben 😉
Roter Platz (Красная площадь)
Natürlich darf ein Abstecher hierher nicht fehlen. Der Platz an sich ist einfach nur ein Platz, und wenn nicht gerade eine Militärparade stattfindet, ist er auch einfach nur ziemlich groß, gepflastert und leer 😉 Deswegen geht es auch meistens um die Gebäude, welche rund um den Platz stehen, und nicht um den Platz selbst.
„Roter Platz“ (Красная площадь, „Krasnaja ploschtschad„) ist übrigens eine Fehlübersetzung. Im Russischen hieß krasny früher sowohl schön als auch rot, der Rote Platz war eigentlich der Schöne Platz. Später ging schön als Bedeutung verloren, und die Soviets hatten natürlich wenig dagegen, dass selbst viele Russen mittlerweile die Bezeichung „Roter Platz“ benutzten.
Hier werden noch die Überreste der Feier zum Tag des Sieges abgeräumt…
Die Basilius-Kathedrale kennt man schon von unzähligen Fotos. Dass die Kirche von Iwan dem Schrecklicken gebaut wurde, um der Gottesmutter Maria für seinen Sieg über einen Nachkommen von Dschingis Khan zu danken, ist allerdings wahrscheinlich weniger bekannt und klingt auch wenig christlich… 😉
Ein wichtiges Ritual für Touristen: Auf die „Kilometer Null“-Markierung (kennen wir schon aus Jekaterinburg) vor dem Auferstehungstor stellen und eine Münze über die Schulter werfen. Wichtig ist dieses Ritual auch für die ältere Dame, welche die Münzen dann sofort einsammelt und einfach einsteckt 😉
Neben dem Roten Platz liegt das Parlamentsgebäude, das ist der Ort, wo die aus dem Fernsehen bekannte „Duma“zusammenkommt. Putins Partei (in welcher er selbst gar kein Mitglied ist!) regiert von hier aus seit 2003 mit absoluter Mehrheit. Bei der letzten Wahl 2016 lag die Wahlbeteiligung in Moskau bei nur noch 30 Prozent, und 20% der Befragten wären bereit gewesen, ihre Stimme zu verkaufen.
Im Kreml war ich nicht. Zum einen hat es mich nicht sonderlich interessiert, zum anderen war er wegen des Tags des Sieges an zwei von drei Tagen gesperrt.
Die „Ausstellung der Errungenschaften der Volkswirtschaft“ (ВДНХ)
Dieses Gelände mitten in Moskau wurde 1939 als eines Art „UDSSR-Expo“ errichtet. Jedes Mitgliedsland bekam einen großen Pavillon und konnte dort zeigen, was man so alles produziert und entwickelt hatte. Heute stehen die Pavillons entweder leer oder es befinden sich Museen oder Vergnügungszentren darin. Eine futuristische Einschienenbahn fährt zwischen den Metro-Stationen und dem Eingang.
Man kommt am Besten gleich morgens hierher, in der Nähe befinden sich auch noch das Moskvarium und das Kosmonautenmuseum. Ich hatte einen ganzen Tag eingeplant und das war nicht zu knapp.
Ich kann mir so richtig vorstellen, wie es zu dieser Rakete kam…
„Kamerad Sekretär, wir haben doch diesen Menschen ins All geschossen, diesen… Gagarin. Das war doch eine ziemliche Leistung, oder? Ich will eine Rakete in meinem Park, als Andenken, mit Abschussrampe.“
„Aber Kamerad Direktor, die Vostok ist 50 Meter lang und wiegt 150 Tonnen, wie sollen wir…“
„Kamerad Sekretär, das ist hier die glorreiche Sowjetunion! Wir sind zu allem fähig!“
Zum Schluss wurde tatsächlich eine Kopie der Rakete mitten in den Park gestellt 😀
„Arbeiter und Kolchosbäuerin“ (Рабочий и колхозница), eine beeindruckende Skulptur nicht weit vom Eingang zum Ausstellungsgelände. Darunter befindet sich ein Museum.
Das Moskvarium
Ein neu gebautes Aquarium auf dem Gelände der Ausstellung der Errungenschaften der Volkswirtschaft. Im Keller gibt es ein sehr schönes Aquarium, in den oberen Stockwerken eine Halle mit einer Orca-Show.
Fisch? Aal? Mono-Fisch? Auf jeden Fall sehr schlecht gelaunt.
Ein Seedrache. Kein seltsam getarntes Seepferdchen, sondern eine andere Art Fisch.
Die Robbe scheint etwas Fernweh zu haben…
Das Kosmonautenmuseum
Von diesem Museum war ich wirklich komplett begeistert. Ich war schon in vielen technischen Museen und z.B. auch im Space Center Houston, aber das Kosmonautenmuseum spielt in einer anderen Liga. Hier sieht man nicht nur die Raumfahrt aus russischer Sicht, sondern sehr viele Exponate sind unbezahlbare Originale! Und auch die Architektur des Gebäudes ist extrem gut gelungen. Wer sich fragt, wo denn hier das Kosmonautenmuseum sein könnte, weiß es ganz sicher auf den ersten Blick.
Gut zu wissen, dass im Weltall auch nur mit meinen Makita-Akkuschraubern gearbeitet wird 😉
Ein Nachbau der Mir darf natürlich nicht fehlen.
In den 1940ern standen diese FELIKS-Rechenmaschinen überall, heute gibt es kaum noch erhaltene Exemplare. Dieses Exemplar wurde zur Berechnung von Flugbahnen benutzt.
Das Museum der sowjetischen Arcade-Maschinen
Ja, auch die Sowjets hatten Spielautomaten, und in diesem Museum gibt es einige der wenigen erhaltenen Exemplare zu sehen. Wer es nicht nach Moskau schafft, kann die Aussenstelle in St. Petersburg besuchen.
Ich fand das Museum „ganz nett“. Das lag nicht an der Organisation, die Betreiber haben sich sehr viel Mühe gegeben, der Eintritt kostet 450 Rubel (ca. 6,50 €), und man bekam wie früher eine Tüte 15-Kopeken-Münzen für die Automaten. Das Problem war einfach, dass in der Sowjetunion nie halbwegs brauchbare Spielautomaten gebaut wurden. In den 1980er Jahren herrschte Knappheit, die Prioritäten lagen woanders, und im ganzen Ostblock gab es kaum konkurrenzfähige Computertechnik.
Es gab keine echte Spieleindustrie, statt desses sattelten manchen Unternehmen aus anderen Bereichen um. So soll es beispielsweise bei einem Unternehmen gewesen sein, welches bis gestern noch Sensoren für Nuklearanlagen gebaut hatte, und ab heute Spielautomaten. Tetris, das einzige bekannte Computerspiel aus der Sowjetunion, wurde von Alexey Pajitnov zufällig als Testprogramm für neue Computer-Hardware geschrieben. Viele echte Automaten waren aber einfach großteils mechanisch aufgebaut, so wie diese hier:
Einer der komplexeren Automaten, allerdings mit sehr einfachem Programm. Es gibt 16 Segmente (horizontal/vertikal/diagonal). Der Automat zeigt ein Muster an, in welchem einige Segmente nicht aktiviert sind. Der Spieler muss innerhalb von wenige Sekunden über die Tasten ein zweites Muster auswählen, so dass beide Muster in Summe alle Segmente aktivieren. Damit man bei der Suche nicht völlig verrückt wird, zeigt eine weiße Lampe immerhin schon die richtige Tastenreihe an 😉
Autorally-M, ein sowjetisches Autorennspiel. Die einfache Technik unterstützte keine sich bewegenden Hintergründe oder größere Grafiken, daher bewegt sich das Spielfeld nicht und man steuert die kleinen Autos von oben. Dieser Automat stammt aus den 1980ern, darunter zum Vergleich ein Video des West-Computerspiels Pole Position von 1982…
Dieser Flipper sah dagegen schon ganz gut aus, einfache Mechanik und Elektrik war für die sowjetischen Ingenieure kein Problem.
Der Siegespark (Парк Победы)
Der Siegespark war quasi noch „brandneu“. Man denkt zwar, die Architektur wäre typisch stalinistisch, aber in Wirklichkeit wurde alles erst 1995 gebaut.
Bloß nicht täuschen lassen: Das Gebäude ist eigentlich gebogen, aber durch die Panorama-Aufnahme erscheint es schnurgerade. Erst auf dem zweiten Bild sieht man die Rundung 😉
Hier brennt eine ewige Flamme, bewacht von Soldaten. Am Tag des Sieges wurden stapelweise Blumen abgelegt, sonst ist hier unterm Jahr alles leer.
Do Svidanja, Moscow!
Ich verabschiede mich mit einigen unsortierten Bildern aus dieser wunderschönen Stadt. Nächstes Mal geht es in St. Petersburg weiter 🙂
Dieser Artikel wurde von Simon für One Man, One Map geschrieben. Das Original befindet sich hier. Alle Rechte vorbehalten.