Bunker 42

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Heute geht es in den Untergrund! 🙂

Bei so viel Militär auf den Straßen durfte ein Abstecher zum Bunker 42 in Moskau natürlich nicht fehlen. Der Eingang liegt nahe der U-Bahn-Station Taganskaja (Таганская) und war, entgegen der Online-Bewertungen einiger anderer Touristen, sehr einfach zu finden. Man steigt in Taganskaja aus, geht um zwei Straßenecken und sieht schon die Leuchtreklame an der Hauswand gegenüber. Das große grüne Tor war eher schwer zu übersehen…

Bunker 42 war von 1951 bis 1995 ein Kommandobunker der sowjetischen Luftwaffe und vor allem für die Kommunikation mit Flugzeugen über weite Strecken vorgesehen. In den 1960er Jahren wurde die Anlage mit Lebenserhaltungssystemen ausgestattet und konnte den Betrieb dann im Falle eines nuklearen Angriffs auch für längere Zeit aufrechterhalten. Mehrere Pläne für eine Renovierung wurden nie umgesetzt, und so landete der Bunker im Jahr 2006 für 65 Millionen Rubel (ca. 930.000 €) bei einer staatlichen Auktion. Ein privater Anbieter betreibt heute das Museum.

Es gab eine Führung in englischer Sprache um 13:30 Uhr, der Preis lag mit 1800 Rubeln (ca. 25 €) vergleichsweise hoch. Allerdings gibt es nicht sehr viele Sehenswürdigkeiten dieser Art.

Die ersten Atombomben waren 1945 abgeworfen worden, Russlands erster Atomtest erfolgte am 29. August 1949. Man hatte zwar schon seit 1935 alle U-Bahn-Stationen tief genug gegraben, damit sie auch als Luftschutzbunker dienen konnten, aber nun musste auch noch jede U-Bahn-Station atombombensicher sein. Die Stationen der 1950 eröffneten Kolzewaja-Linie („Кольцевая линия“, „Ringlinie“, Linie Nummer 5) liegen deswegen 35 bis 53 Meter tief und sind mit riesigen Stahltoren ausgestattet.

Was damals noch keiner wusste: Als die Kolzewaja-Linie fertiggestellt war, hatte man den Bauarbeitern quasi einfach gesagt, dass neben der Station Taganskaja noch vier weitere, geheime Röhren zu graben waren. Maschinen und Baumaterial für atombombensichere Röhren waren ja sowieso gerade da. Man ging allerdings noch ein paar Meter tiefer, die Röhren liegen in 65 Metern Tiefe.

Hier ein Bild der Lage des Bunkers (grün) neben der Station Taganskaja auf der Linie 5 (braun), der Station Taganskaja auf der Linie 7 (violett) und der Station Marksistskaja (Маркси́стская) auf der Linie 8 (rot/orange).

Die Tunnel zu den U-Bahn-Stationen sind verschlossen, daher betraten wir den Bunker über einen der Notausgänge im Erdgeschoss eines Wohnhauses. Es ging 15 Stockwerke hinunter, zu Fuß, bis auf 65 Meter Tiefe.

Die Gänge zwischen den Röhren sind mit Stahl ausgekleidet und im Gestein verankert. Ob die Sowjets wirklich so schönes Rot-Braun verwendet hatten, weiß ich nicht, das Museum hatte sicher noch mal kräftig renoviert 🙂

Auf der Karte an der Wand waren einige weitere historische Standorte ähnlicher Bunker aufgelistet. Allerdings sind diese nicht immer zugänglich. Der Bunker „Elefanten“ nördlich von Stockholm kann etwa ein Mal im Jahr besichtigt werden. Den Bunker 5001 bei Wandlitz, knapp 40 Kilometer von Berlin, möchte ein Verein demnächst wieder eröffnen. Spender werden noch dringend gesucht 🙂

Wir liefen weiter durch die Gänge und kamen an Kontrollposten vorbei. Hier ging niemand unkontrolliert hinein oder hinaus!

Die Soldaten kamen übrigens durch die U-Bahn zur Arbeit im Bunker. Allerdings nicht bei Tag, sondern mit geheimen Zügen mitten in der Nacht.

Wir betraten Block 4, eine der vier Röhren. Die Standard-Tour umfasst leider nur einen Teil der Anlage. Man kann noch mehr besichtigen, gegen Eintrittspreise bis hoch über 1000 € pro Person, allerdings sind dann auch ein Abendessen und ein „Militärchor“ inklusive 😉

Eines der vielen Telefone im Bunker. Quasi jeder Raum hatte eines davon.

Auch im Bunker konnte man der Bürokratie nicht entfliehen, ganz im Gegenteil. Die Dame hier scheint auf einer Verschlüsselungsmaschine zu tippen, allerdings weiß ich leider nicht, um welches Modell es sich handelt. Der Lochstreifen vorne rechts deutet auf eine sowjetische Fialka (Фиа́лка, „Veilchen“) hin, allerdings sieht diese auf Fotos etwas anders aus.

Vorbei an zwei weiteren Kontrollposten ging es zum Allerheiligsten…

„Ja, bitte? Kamerad Stalin ist leider gerade nicht da, bitte versuchen Sie es später noch mal!“

Auf diesem Bild gut zu sehen: Die Stahlringe an der Außenseite der Röhre wurden auch für die U-Bahn verwendet.

Kamerad Stalin hat den Bunker wohl eher nur als Puppe besucht. Es kam ja nie zum Überfall der deutschen Truppen auf Moskau, und der Kalte Krieg wurde nie heiß, also wurden weder der „Stalin-Bunker“ in Ismailowo (Измайлово) etwas außerhalb der Stadt noch Bunker 42 jemals wirklich aktiv.

Von diesem Tisch aus hätten die sowjetischen Generäle vielleicht den Langstreckenbombern den Angriff auf die Vereinigten Staaten von Amerika befohlen. Man kann nur froh sein, dass es nie dazu kam!

Wer genau darauf achtet, erkennt Teile einer Rolltreppe in dieser nicht rollenden Treppe. Auch die Lampen stammen aus dem Baumaterial der U-Bahn.

Ein Nachbau der RDS-1 (РДС-1), der ersten sowjetischen Atombombe. Sie war mehr oder weniger identisch mit Fat Man, einer der ersten von den USA entwickelten Atombomben. Kein Zufall, der deutsche Spion Klaus Fuchs hatte den Sowjets die Baupläne der Amerikaner zugespielt.

Ein Modell eines MAZ-7917 Transporters mit mobiler Startrampe für Interkontinentalraketen des Typs РТ-2ПМ Тополь („RT-2PM Poplar“, russisch „Poplar“ für „Pappel“). Der Sprengkopf mit einer Sprengkraft von 800 Kilotonnen TNT reicht grob aus, um New York zu zerstören. Angeblich sind derzeit noch mehrere Hundert dieser Transporter im Einsatz.

Um uns den Ernst einer solchen Bedrohung etwas näher zu bringen, startete unser Führer eine Simulation. Zwei Männer aus dem Publikum wurden zu sowjetischen Operateuren erklärt und starteten per Schlüssel (wie im Film!) den Abschuss ihrer Rakete. Auf die Leinwand über uns wurde erst der taktische Bildschirm der sowjetischen Streitkräfte projiziert, nach dem Abschuss dann ein kurzer Film mit sehr vielen nuklearen Explosionen.

Danach ging es über weitere Treppen zum Versorgungstrakt. Hier lagerten mehrere Hunderttausend Liter Trinkwasser, zusätzlich gab es zwei Tiefbrunnen.

Einer der Tunnel, über welchen der Bunker mit der U-Bahn verbunden ist.

In diesem Gang konnten wir einen simulierten Atomschlag miterleben. Der Führer schickte uns ans eine Ende und verschloss die Tür. Wir warteten einige Sekunden in völliger Dunkelheit, dann krachte es dumpf, eine Sirene ging an und die roten Lampen blinkten vor sich. Auf jeden Fall gruselig!

Der Führer behauptete, dass er diese Tür selbst noch nie geöffnet hätte, weil dahinter immer noch das Militär arbeiten würde. Wers glaubt… 😉

Die Admirale mussten nur zu dritt in einem Raum dieser Größe hausen. Im Rest des Bunkers ging es wohl weniger gemütlich zu, angeblich konnten in der gesamten Anlage bis zu 3000 Personen überleben.

Einige schöne Artefakte aus dem Kalten Krieg…

Seltsame Telefone. Das eine hat ein paar Tasten zu viel, das andere gar keine…

(Des Rätsels Lösung: Das erste hat eine Art Vermittlungsfunktion, auf dem zweiten kann man nur angerufen werden und Befehle entgegen nehmen.)

Dieser Wasserspender sieht etwas aus wie ein Modell aus dem USA, war aber bitter nötig. Bei Vollbelegung kamen die Klimaanlagen nicht mehr hinterher und die Luft im Bunker heizte sich auf 35 Grad auf. Deswegen gab es an vielen Ecken kaltes Wasser.

Das Restaurant am Ende dieses Ganges gab es natürlich damals noch nicht 🙂

Und da die U-Bahn sowieso gerade nebenan war und es draußen immer noch regnete, geht es nächstes Mal einfach dort weiter!

Dieser Artikel wurde von Simon für One Man, One Map geschrieben. Das Original befindet sich hier. Alle Rechte vorbehalten.

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