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Der Einleitungsartikel zu Albanien befindet sich hier.
Krujë (Kruja) ist eine albanische Kleinstadt und liegt etwa 30 Kilometer von der Hauptstadt Tirana entfernt. Die kleine Stadt zieht sich hoch oben an einem Steilhang des Mali i Krujës entlang, einem der Gipfel des Skanderbeg-Gebirges. Und damit sind wir auch schon beim Thema. Willkommen in der Heimat des albanischen Nationalhelden Georg Kastriota, genannt „Skënderbeu“ (Skanderbeg) 🙂
Im Gegensatz zu den meisten anderen Orten in Albanien gibt es in Krujë alles, was das Touristenherz begehrt: nette Cafés und Restaurants, Marktstände mit Souvenirs, eine Festung und ein perfekt in Szene gesetztes Museum. Die meisten Besucher reisen für ein paar Stunden aus Tirana oder Durrës an. Wir haben während der sonst doch sehr eintönigen Fahrt von Tirana nach Kotor in Montenegro einen Abstecher hierher gemacht. Eine Karte mit allen hier erwähnten Attraktionen und einer GPX-Datei zum Download gibt es wie immer am Ende.
Der Souvenirmarkt
Die kleine Marktstraße zieht sich vom Stadtzentrum bis hoch zur Festung. Angeboten werden hauptsächlich Handwerksprodukte aus der Region wie Tücher, Holzfiguren und vieles mehr.
Festung und Museum
Die Festung von Krujë ist der Dreh- und Angelpunkt der ganzen Geschichte um Nationalheld Skanderbeg. Auf den Ruinen steht heute das Skanderbeg-Nationalmuseum (Muzeu Historik Kombëtar „Gjergj Kastriot Skëndërbeu“). Es ist eines der am häufigsten besuchten Museen im ganzen Land und im Stil eines mittelalterlichen Turms aus Nordalbanien gehalten. Bau und Einweihung fallen noch in die Zeit unter Diktator Enver Hoxha, seine Tochter Pranvera Hoxha (siehe auch Eine Pyramide für den Dikator) war am Design beteiligt.
Vor dem Museum befinden sich die Überreste der Sultan-Mehmed-Fatihut-Moschee und deren Minarett. Weiter südlich liegen sich zudem ein ethnographisches Museum und ein türkisches Bad.
Das Museum beherbergt Artefakte aus der Zeit des Nationalhelden, darunter Gemälde, Rüstungen, Dokumente und vieles mehr. Bei vielem handelt es sich aber um Nachbildungen. Der Originalhelm mit dem für die Familie Kastrioti typischen Ziegenkopf befindet sich beispielsweise im Kunsthistorischen Museum in Wien.
Der Eintrittspreis betrug 200 Lek (ca. 1,60 Euro).
Wie bei den meisten Nationalhelden aus dem Mittelalter sind auch bei Skanderbeg viele Details strittig. Sein Vater Gjon Kastrioti der Erste besaß ein Fürstentum im Norden des heutigen Albaniens und musste sich um 1400 gegen die anrückenden Osmanen wehren. Häufig wird behauptet, Kastrioti habe sich Sultan Murad dem Zweiten unterwerfen und seine Söhne als Pfand an den Hof nach Adrianopel (heute Edirne) schicken müssen, wo diese in Unkenntnis ihrer Herkunft zu muslimischen Soldaten erzogen wurden.
Georg Kastriota, zwischendurch im Heer des Sultans zum „Iskender Bey“ (türkisch für „Alexander der Große“) aufgestiegen, habe erst viel später von seiner wahren Herkunft erfahren, mit einer tapferen Truppe von 300 albanischen Soldaten das Fürstentum seines Vaters zurückerobert und Albanien von der Festung Krujë aus 50 Jahre lang gegen die Osmanen verteidigt. Von einer der heldenhaften Schlachten handelt auch das große Panoramafresko im Museum.
Ähm, nun ja. Wer sich ein bisschen an Sparta und den Kinofilm „300“ erinnert fühlt, liegt wahrscheinlich nicht ganz falsch. Eher scheint es wohl so gewesen zu sein, dass die Kastrioti-Sippe äußerst geschickt im Schmieden von Allianzen war und auch nicht vor mehreren Religionswechseln zurückschreckte, um ihren Einfluss in der Region aufrecht zu erhalten.
Skanderbeg ist tatsächlich für die Türken in den Krieg gezogen, er kannte deren militärische Taktiken daher wohl sehr gut. Auch die Rebellion gegen den Sultan, die Rückeroberung des Fürstentums um Krujë nach dem Tod seines Vaters und drei Belagerungen der Festung Krujë sind belegt. Allerdings vergingen zwischen dem Aufstand gegen die Osmanen und Skanderbegs Tod nur 25 Jahre.
Nördlich des Museums befindet sich ein alter Wachturm (Kulla e Kalasë). Auch die alten Burgmauern sind zum Großteil noch erhalten.
Das Nationale Ethnographische Museum
Etwa 100 Meter südlich des Skanderbeg-Museums befindet sich das Nationale Ethnographische Museum (Muzeu Kombëtar Etnografic). Ein altes orientalisches Gebäude aus dem 18. Jahrhundert dient als Ausstellungsfläche für typisch albanische Artefakte aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Dazu gehören neben traditionellen Kleidungsstücken, Möbeln und Kochutensilien der Bergvölker auch landwirtschaftliche Geräte, darunter eine komplette Steinmühle.
Der Eintritt kostete 300 Lek (ca. 2,40 Euro).
Festungsmauern und Burgsiedlung
Die südliche Hälfte der Festung beherbergte früher die Burgsiedlung, heute leben dort Privatpersonen. Ein Labyrinth aus engen Gassen, hohen Mauern, Brücken, Durchgängen und Tunneln zieht sich zwischen den Häusern hindurch.
Die Bektaschi-Dollmatekke
Eine weitere häufig übersehene Sehenswürdigkeit in Krujë ist die Hahji Mustafa Baba geweihte Bektaschi-Dollmatekke am Südende der Festung.
Die Bektaschi-Tariqa ist eine der größten islamischen Strömungen in Anatolien und auf dem Balkan. Eine Tekke dient der Ausübung des Glaubens, im Gegensatz zu einer Mosche kann sie aber auch zum Studium oder zum Empfang und der Bewirtung von Gästen genutzt werden. Die Dollmatekke in Krujë hat deswegen sogar einen funktionsfähigen Backofen für traditionelles Brot.
Im schön verzierten Innenraum befinden sich mehrere Gräber von Bektaschi-Würdeträgern. Auch im Garten liegen mehrere Gräber.
Unter Diktator Hoxha waren 1967 alle Religionen verboten und damit auch diese Tekke geschlossen worden. 1990 wurde sie als erste Albaniens wiedereröffnet. Eine kleine Gruppe von Freiwilligen hält das Areal instand.
Karte
Freunde von Lost Places sollten sich den nächsten Beitrag nicht entgehen lassen! Ich nehme euch mit in Albaniens 170.000 Bunker…
Dieser Artikel wurde von Simon für One Man, One Map geschrieben. Das Original befindet sich hier. Alle Rechte vorbehalten.