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Der Einleitungsartikel zu Albanien befindet sich hier.
Wer sich in Tirana aufhält, kann die gigantische Pyramide eigentlich kaum ignorieren. Mitten auf einem riesigen Platz erhebt sich der Betonkoloss, mit seinen 30 Metern Höhe überragt er die meisten Bäume und Gebäude im Umkreis. Selbst vom einen halben Kilometer entfernten Uhrturm am Skanderbegplatz aus kann man den die Spitze problemlos sehen.
Von 1988 bis 1991 befand sich im Enver-Hoxha-Museum, so der ursprüngliche Name des Gebäudes, „mehr oder weniger alles, was Enver Hoxha jemals berührt hatte“. Architektin Pranvera Hoxha, Tochter des 1985 verstorbenen Diktators von Albanien, hatte das Gebäude zusammen mit ihrem Ehemann geplant. Der Bau dauerte zwei Jahre.
Heute erinnert kaum noch etwas an die Glanzzeiten der Pyramide. Der blanke Beton war früher mit hellen, glatten Marmorplatten verkleidet, bei den Kindern eine beliebte Rutschbahn. Auch heute turnen die Kinder immer noch auf der Ruine herum, denn in Tirana interessiert sich kaum ein Mensch für das, was rund um die Pyramide vor sich geht. Wer den etwas gefährlichen Aufstieg über die blanken Betonflanken wagt, muss nicht mit Problemen rechnen.
Angeblich hatte die Pyramide 2015 einen neuen Anstrich erhalten. Davon war allerdings wenig zu sehen.
Auf der Spitze prangte früher ein großer roter Stern. Heute steht an dessen Stelle nur noch eine notdürftig zusammengebastelte Metallkuppel, welche nicht mal den Regen draußen halten kann. Das einzige, was hier oben noch prangt, ist ein militärisch gesicherter Funkmast für Radioprogramme und Mobilfunk.
Von oben hat man einen guten Panoramablick auf die nähere Umgebung, darunter auch die im Jahr 2000 errichtete Friedensglocke (Këmbana e Paqes). Sie erinnert an die Unruhen nach dem Lotterieaufstand im Jahre 1997, welche von Schutztruppen der Vereinten Nationen befriedet werden mussten. Die Glocke wurde aus in Albanien eingesammelten Patronenhülsen gegossen.
Im hinteren Teil der Pyramide befand sich ehemals das Restaurant „Mumja“. Es ist schon seit vielen Jahren geschlossen.
Der Haupteingang sollte eigentlich verschlossen sein, wird aber immer wieder aufgebrochen. Jeder kann sich hier ungestört umsehen. Das ließen wir uns natürlich nicht zwei Mal sagen…
Der manchmal benutzte Beiname „Enver-Hoxha-Mausoleum“ passt zwar zur Architektur des Gebäudes, ist aber falsch. Hoxhas Leichnam wurde hier nie aufgebahrt, sondern auf dem großen Friedhof in Sharre vor den Toren Tiranas begraben. Im Zentrum der Pyramide stand statt dessen eine vom albanischen Bildhauer Kristaq Rama geschaffene Marmorstatue des Ex-Diktators in sitzender Pose.
Kristaq Rama schuf noch viele weitere Kunstwerke für die kommunistische Führung, darunter Skulpturen von Soldaten und Arbeitern und Ornamente. Allerdings hatte der Künstler auch eine dunkle Seite: als hochrangiger Funktionär des Regimes unterschrieb er mehrere Todesurteile. Einer seiner Söhne, Edi Rama, ist heute ein sehr erfolgreicher albanischer Politiker. Er war unter anderem Präsident der Sozialistischen Partei Albaniens, Premierminister Albaniens und mehrfach Bürgermeister von Tirana.
Überall fanden wir Müll und zerstörte Glasfronten. Es war schwer vorstellbar, dass es sich hier der Legende nach um das Teuerste jemals in Albanien errichtete Gebäude handeln sollte.
Eine verwirrende Kombination aus Treppen und Gängen führt vom Erdgeschoss aus weiter nach oben. Bis 1991 befanden sich hier auf insgesamt drei Ebenen die Vitrinen des Museums, welche den Einfluss Hoxhas auf die Geschichte Albaniens zeigten. Zu sehen gab es vor allem Fotos und Dokumente, aber auch Fahrzeuge und – für die damalige Zeit recht neu in Albanien – Filme und per Computer abrufbare Dokumente. Eine kleine Bibliothek und ein Café rundeten das Angebot ab.
Im ersten Stockwerk befindet sich eine Bühne mit großem Zuschauerraum. Hier fanden nach dem Tod des Diktators hochrangig besetzte Feiern statt, später wurde die Bühne von einer Discothek benutzt. Beim Betreten dieses Bereiches ist Vorsicht geboten, denn der ganze Zuschauerraum besteht nur aus auf Stahlträgern aufliegenden Holzbohlen und hängt frei über dem Erdgeschoss. Durch ein Loch in den Brettern kann man im schlimmsten Fall mehrere Meter tief abstürzen.
Unter den Glasfenstern im Dach befinden sich die Sende- und Empfangsanlagen für den Funkturm auf dem Dach. Dort tat ein Sicherheitsmann seinen Dienst, kümmerte sich aber nicht um uns.
Nach der Öffnung des Landes um das Jahr 2000 wurde die Pyramide in ein „Internationales Kulturzentrum“ (Qendra Ndërkombëtare e Kulturës) umfunktioniert. Später beherbergte sie Büros von internationalen Einrichtungen, Bars und zuletzt die erwähnte Discothek. Dann kamen die Pleite und der Verfall. 2010 stimmte das Parlament mit einer knappen Mehrheit für den Abriss des Gebäudes und die Errichtung des neuen Parlamentsgebäude an dessen Stelle. Die Ausschreibung für das 110 Millionen Euro teure Projekt war bereits an ein Wiener Architekturbüro gegangen, die Bauarbeiten sollten am 28. November 2012 – zum 100. Geburtstag der Ausrufung des Fürstentums Albanien – vollendet sein.
Aufgrund von politischen Streitigkeiten mit der Sozialistischen Partei Albaniens, der Nachfolgeorganisation der Arbeiterpartei des früheren Diktators, verschwand das Projekt dann allerdings in der Versenkung. Die Bauarbeiten begannen nie. Danach gab es immer wieder neue Vorschläge für die Weiternutzung. 2016 gingen das Gelände und die Ruine in den Besitz der Stadt Tirana über, welche 2017 den endgültigen Umbau in ein Jugendzentrum bekanntgeben ließ. 2018 wurde der Plan in einen Technologiepark für Startups mit einem Fokus auf Softwareentwicklung und Robotik geändert.
Passiert ist bis heute allerdings nichts. Und so verfällt die ehemals teuerste Immobilie Albaniens wahrscheinlich noch viele Jahre weiter vor sich hin 🙁
Dieser Artikel wurde von Simon für One Man, One Map geschrieben. Das Original befindet sich hier. Alle Rechte vorbehalten.
Im Moment ist es abgesperrt, und eine Baustelle. Man hat also wohl einen Verwendungszweck gefunden. Nach Abriß, sah es mir nicht aus.
Einerseits schade, andererseits natürlich gut für die Stadt :/