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Das Land
Die einzige Landgrenze besteht zu Nordkorea. Norden und Süden sind seit dem Zweiten Weltkrieg getrennt und seit dem Koreakrieg immer noch im Krieg miteinander, seit 1953 herrscht ein Waffenstillstand. Der Norden ist ein kommunistisches Regime mit Kim Jong-Un an der Spitze, der Süden eine demokratische, kapitalistische Industrienation. Eine schwer bewachte Demilitarisierte Zone (DMZ) markiert die faktische Grenze zwischen beiden Ländern. Im Süden drängen sich 51 Millionen Einwohner auf nur 100.000 km² (knapp ein Viertel der Fläche Japans oder Deutschlands). In der Region Seoul leben 25 Millionen Menschen, aber der Rest des Landes ist immer noch so dicht bevölkert, dass man nach ruhigen Orten meist suchen muss.
Das Land ist sehr bergig, viele Berge sind aber nur um die 400 Meter hoch und beliebte Ausflugsziele. Die Städte sind meist zubetoniert, dreckig und hässlich. Bis zu 50 Stockwerke hohe Wohnblocks stehen oft noch in weiter Entfernung von den Innenstädten. Der öffentliche Nahverkehr ist in vielen Regionen eher schlecht ausgebaut, viele Bewohner fahren täglich weite Strecken mit dem eigenen Auto. Im Schnitt hat fast jeder zweite Südkoreaner ein Auto, ähnlich wie in Deutschland.
Wahrscheinlich wissen nur wenige, dass Seoul zu den Städten mit der schlechtesten Luftqualität der Welt gehört. Im März 2017 lag die Stadt kurzzeitig auf Platz zwei der Negativliste, nur geschlagen von Neu Delhi, und weit vor Peking und Shanghai. Lange Zeit machte die koreanische Regierung die Abgase aus China dafür verantwortlich, aber mittlerweile ist bekannt, dass etwa 70% des Smogs selbst verursacht wird. Die Südkoreaner fahren eben gerne große Autos und verbrauchen viel Strom aus Kohlekraftwerken.
Die Sprache
Koreanisch ist vergleichsweise einfach zu lesen bzw. schreiben und schwer zu sprechen. Es gibt 40 Einzelbuchstaben, welche zu Silben zusammengefasst werden. Wenn man die wichtigsten Einzelbuchstaben und einige Regeln kennt, kann man schon nach kurzer Zeit Worte entziffern. Ich konnte nach den zwei Wochen in Südkorea die Namen der meisten U-Bahn-Haltestellen und vieler Geschäfte und Restaurants auf Koreanisch lesen, was vor Allem im Nahverkehr sehr nützlich war. Begriffe aus anderen Sprachen werden mit viel Kreativität und meistens in Form von Lautschrift übernommen. Wer z.B. einen Autoreifen sucht, wird deswegen unter 타이어 (Taie für englisch Tire) fündig.
Die meisten Südkoreaner, besonders auf dem Land, sprechen allerdings kein oder nur kaum Englisch. Als Tourist schafft man es kaum, ein paar Brocken Koreanisch zu lernen und richtig auszusprechen, man sollte sich also immer gut vorbereiten und am besten alle Adressen etc. auf Papier und auf Koreanisch dabei haben.
Wegen der seit fast 65 Jahre andauernden Trennung hat sich die die Koreanische Sprache im Norden und Süden deutlich unterschiedlich entwickelt. Buchstaben werden leicht unterschiedlich geschrieben und ausgesprochen, Worte unterschiedlich gebeugt und sortiert, Leerzeichen an unterschiedlichen Stellen eingefügt, und so weiter. Für gebräuchliche Worte wie Gans oder Hammer werden unterschiedliche Worte verwendet. Wenn fremde Begriffe übernommen wurden, stammten diese im Norden oft aus dem Russischen und im Süden eher aus dem Englischen. Geflüchtete Nordkoreaner bekommen deswegen Sprachtraining, damit sie im Süden nicht sofort erkannt werden.
Die Menschen
Südkoreaner sind fast immer sehr freundlich und hilfsbereit, so weit das bei den Sprachproblemen eben möglich ist. Im Alltag geht es allerdings sehr rau zu. Es wird fröhlich gedrängelt, geschoben, gehustet, geniest, gerotzt und gespuckt. An Zebrastreifen muss man als Fußgänger grundsätzlich um sein Recht kämpfen, Ampeln und Verbotsschilder werden oft missachtet. Vor allem Senioren verschaffen sich gnadenlos Platz. In Busan hatte mich eine alte Oma sogar mit einem Stock geschlagen, als ich ihr nicht schnell genug aus dem Weg ging. Normalerweise würde ich das als Ausnahme bezeichnen, aber hier hat es mich gar nicht mehr gewundert.
Die Gesellschaft ist voller Extreme. Viele Einwohner leben in – für asiatische Verhältnisse – großem Wohlstand. Allerdings müssen sie dafür sehr viel tun, der durchschnittliche Südkoreaner arbeitet über 2000 Stunden pro Jahr, etwa 600 Stunden mehr als der durchschnittliche Deutsche. Die Sechs-Tage-Woche wurde erst seit 2002 schrittweise abgeschafft. Konsum hat eine sehr große Bedeutung, in Busan steht nicht zufällig das größte Kaufhaus der Welt. Geschäfte haben oft bis 21 Uhr und später geöffnet, auch an Sonn- und Feiertagen, und wegen der warmen nächtlichen Temperaturen (23 Grad Anfang Oktober) sind die Straßen auch spät abends noch voll. In Seoul habe ich mich oft gefragt, wann die Leute überhaupt schlafen.
Bis zu 20 Prozent der Menschen leben aber immer noch in Armut, besonders Alte sind davon betroffen. In den Straßen waren immer wieder alte Männer und Frauen zu sehen, welche mit einfachsten Arbeiten (z.B. Müll einsammeln) oder einem winzigen Verkaufsstand wahrscheinlich gerade so über die Runden kamen. Manche der Männer hinter ihren Karren waren so alt und liefen so gekrümmt, dass mir nur noch der Ausdruck „Schuften bis ins Grab“ einfiel.
Der Leistungsdruck ist extrem hoch. Um einen guten Job bei einem der großen Konzerne (Samsung, LG, Hyundai etc.) oder dem Staat zu ergattern, muss man einen Platz an einer Elite-Universität bekommen. Die Aufnahmeprüfungen dafür sind sehr hart. Wer als Student nicht gut genug ist, begibt sich – nicht immer freiwillig – in „Lern-Camps“, in welchen über Monate bis zu 18 Stunden pro Tag gepaukt wird. Die Kosten für diese Camps sind hoch, aber südkoreanische Eltern tun meist alles, um ihren Kindern eine möglichst gute Zukunft zu ermöglichen. Der Vermieter einer meiner Unterkünfte erzählte mir, dass er insgesamt etwa fünf Jahre auf Urlaube verzichten muss, weil sein Sohn vor der Aufnahmeprüfung steht und gerade im Lern-Camp sitzt.
Daneben gibt es ein sehr extremes Schönheitsideal. In vielen Hautpflegeprodukten sind Aufheller (Whitener) enthalten, bei Sonnenschein wird die Haut gerne mit einem Schirm vor Bräune geschützt. Schönheitsoperationen sind für eine bestimmte Bevölkerungsschicht völlig normal, chirurgische Kliniken schalten Werbung in den U-Bahnen. Ganz oben auf der Liste stehen meist Augenoperationen, um die „Schlitzaugen“ zu entfernen, und eine „V-Form“ für Wangen und Kinn.
Freiräume für Jugendliche gibt es wenige, und eine ganze Industrie macht sich das zu Nutze. Wer zu Hause keine Ruhe hat, mietet sich stundenweise alleine oder mit Freunden einen kleinen privaten 방 (Bang, deutsch Raum), welcher mit allen notwendigen Dingen ausgestattet ist. Es gibt Bangs für Karaoke, für den gemeinsamen Filmabend, für Computerspiele, und so weiter. Im Preis sind oft auch kleine Snacks inbegriffen. Es gibt sogar eine ganze Industrie von Love Bangs bzw. Love Motels, in welchen man sich stundenweise mit Freund oder Freundin treffen kann, ohne dass die Eltern davon wissen… Sich eine Weile in einem Karaoke Bang austoben zu können, ohne dass der Rest der Welt die eigene Stimme hören muss, ist recht lustig, aber für ein wenig Freiheit bezahlen zu müssen, erschien mir irgendwie falsch.
Fortbewegung
Innerhalb von Seoul kommt man mit der modernen Metro sehr einfach vorwärts, allerdings wohnt dort auch die Hälfte der Bevölkerung. Im Rest des Landes sieht es sehr viel schlechter aus. Es gibt einen Hochgeschwindigkeitszug, den KTX, dieser fährt aber nur auf den Abschnitten Incheon-Seoul-Jije-Osong, Suseo-Jije, Osong-Mokpo und Osong-Busan. Daneben gibt es kleinere Eisenbahnlinien mit oft sehr, sehr wenigen Verbindungen pro Tag. Die KTX-Bahnhöfe liegen nicht immer im Stadtzentrum. Mietwagen lohnen sich nur außerhalb der großen Städte, dort würde man sowieso keinen Parkplatz finden.
Fernbusse sind deswegen sehr beliebt und meist sehr bequem. Die Busbahnhöfe liegen aber grundsätzlich eher außerhalb und die Busse stehen je nach Tageszeit oft im Stau. Es gibt viele verschiedene Busunternehmen, die meisten haben aber nur koreanische Webseiten und online bezahlen kann man als Ausländer oft sowieso nicht (siehe Abschnitt Geld).
Am Besten fährt man zum Busbahnhof und versucht es mit Bargeld und der ausländischen Kreditkarte am Automaten. Falls das nicht klappt, versucht man der Dame am Schalter Ziel, Datum, Uhrzeit und Anzahl der Plätze beizubringen und bezahlt bar. Der folgende Trick hat für mich recht gut funktioniert: Zum Automaten gehen, die Sprache auf Englisch umstellen, alle Daten eingeben, mit dem Smartphone den Bestätigungsbildschirm am Ende abfotografieren, und dieses Photo dann der Dame am Schalter hinhalten.
Sie kann zwar vermutlich die englischen Worte nicht lesen, aber sie kann alle wichtigen Daten ablesen und weiß höchstwahrscheinlich schon, in welchem Feld welcher Wert steht. Die Beschilderung ist zweisprachig, den richtigen Bus finden ist also kein Problem, und der Busfahrer kontrolliert die Tickets nochmal, damit man nicht am falschen Ort landet. Das Taxi vom/zum Busbahnhof sollte man gleich mit einrechnen.
Wenn man also nicht gerade mit dem superschnellen KTX von Busan nach Incheon an den Flughafen fährt, kommt man in Südkorea eher langsam voran und muss Zeit mitbringen. Dafür sind die Tickets aber zumindest günstig.
Geld
Geld ausgeben war selten ein so großes Problem wie in Südkorea. Die Banken geben eigene, nationale (Domestic) Kreditkarten aus, und nicht jeder Automat kann mit ausländischen (Foreign) Karten umgehen. Wenn der Automat bei der Abhebung die Option Foreign erst gar nicht anbietet und nur Domestic anzeigt, hat man von Anfang an Pech. Aber auch wenn es die Option Foreign gibt, muss die Transaktion noch lange nicht durchlaufen.
In Seoul ging es noch, aber in Gyeongju wurden meine beiden VISA-Karten (comdirect und DKB) von den Automaten vier verschiedener Banken kommentarlos nicht akzeptiert, bis es bei der fünften Bank endlich geklappt hat. Auch in Busan musste ich mehrfach probieren. Gute Erfahrungen habe ich mit den Automaten an Flughäfen und den Automaten der Woori Bank gemacht.
Online bezahlen ist ein Glücksspiel. Die südkoreanischen Kreditkarten verwenden statt der üblichen Card Verification Number (CVV) ein Passwort, und viele Webseiten (z.B. die vieler Busunternehmen) scheinen nur mit nationalen Karten umgehen zu können. Zugtickets konnte ich bei Korail dagegen ohne jede Verifizierung einfach so online buchen. Neben Kreditkarten gibt es noch viele weitere nationale Bezahlsysteme, z.B. kann man mit den aufladbaren Nahverkehrstickets (T-Money) auch online bezahlen.
Man hebt also am Besten direkt nach der Ankunft genug Geld ab, wenn Bank und Automat es denn zulassen. Viele Automaten haben ein Limit von 100.000 Won (ca. 75 €) pro Transaktion. Wechselstuben gibt es abseits von Flughäfen nicht viele, also hilft ausländisches Bargeld eher wenig.
Das Essen
Die koreanische Küche ist eine Mischung aus vielen anderen asiatischen Küchen und legt großen Wert auf Suppen und Gegrilltes. Zu jedem Essen wird Kimchi gereicht, durch Milchsäuregärung zubereitetes Gemüse.
Es gibt seit vielen Jahren einen Hype um das Essen in Seoul, vor allem das Street Food. Besonders beeindruckt war ich davon aber nicht. Ich habe mich zwei Wochen durch Straßenbuden und Restaurants aller Preisklassen gefuttert, gut oder preiswert war das Essen aber selten. Am Fett wird nicht gespart, Reis kommt eher nur als blanke Beilage oder im Gimbap, der koreanischen Verson des Sushi, vor. Rind und Schwein dominieren, Geflügel ist eher schwer zu finden. Gerne wird alles noch mal mit viel Käse überbacken, mit Ketchup garniert, oder es findet sich Dosenschinken (Spam) im Gericht.
Die Street-Food-Verkäufer in Seoul hatten meist alle die selben fünf oder sechs Gerichte im Angebot. Bei Veranstaltungen werden haufenweise Instant-Nudeln (Ramen) verkauft, auch an Raststätten, Bahnhöfen und in den rund um die Uhr geöffneten Convenience Stores kann man Fertignudeln in allen Varianten kaufen und direkt mit heißem Wasser aufkochen. Lecker geht anders. Richtung Süden wurde es etwas besser, in Gyeongju gab es z.B. ein Gimbap-Restaurant mit sehr gutem Preis-Leistungsverhältnis, und in Busan war das Street Food deutlich vielfältiger.
Es ist übrigens immer noch eher tabu, alleine in einem südkoreanischen Restaurant zu essen. Viele geben die Preise der Gerichte deswegen gleich für zwei Personen an.
Telekommunikation
Südkorea hat ja angeblich die schnellsten Internetanschlüsse der Welt, allerdings mit einem großen „aber“: die hohen Geschwindigkeiten werden oft nur innerhalb von Südkorea und vielleicht noch in die Nachbarländer erreicht. Verbindungen zu Servern in Europa oder den USA können nervtötend langsam sein, und das nicht nur wegen der hohen Latenz. Dies betraf bei mir auch beliebte Dienste wie den Instant Messenger Telegram oder FitBit, welche für mich zu Hause normal funktionieren, aber in Südkorea unabhängig vom Netzwerk sehr langsam waren.
Seit 2015 kann man als Tourist endlich einfach eine lokale SIM-Karte kaufen und direkt mit dem eigenen Mobiltelefon verwenden, allerdings sollte man darauf gefasst sein, 20 € pro Gigabyte oder mehr hinzublättern, plus zusätzliche Kosten. Aus diesem Grund bieten viele Agenturen und Unterkünfte sogenannte WiFi Eggs (ein persönlicher, portabler WLAN-Hotspot mit Mobilfunkverbindung) zur Miete an. Die marktübliche Miete für so ein WiFi Egg schienen drei Euro pro Tag zu sein, allerdings oft bei sehr eingeschränktem Datenvolumen.
Wer nicht rund um die Uhr online sein muss, findet normalerweise aber genug öffentliche WLAN-Hotspots.
Dieser Artikel wurde von Simon für One Man, One Map geschrieben. Das Original befindet sich hier. Alle Rechte vorbehalten.